Kultur

Friedensprozess „von unten“: Givat Haviva wurde 60 Jahre

von Martin Schmidtner · 24. November 2009
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Ein nach ihr benannter Friedenspreis ehrt Menschen, die sich für den jüdisch-arabischen Dialog einsetzen. Unter den Preisträgern waren bereits Johannes Rau und Sigmar Gabriel - die aktuelle Auszeichnung ging an die Sängerinnen Noa & Mira Awad.

Am 19. November feierte die israelische Bildungseinrichtung Givat Haviva ihr 60jähriges Bestehen. 1949 als Erziehungszentrum des Kibbuz-Artzi-Verbandes gegründet, entwickelte sich die Organisation zum größten israelischen Bildungsinstitut für jüdisch-arabische Verständigung. Im Wadi Ara zwischen Haifa und Tel Aviv gelegen, bietet es Unterricht und Seminare zu Themen wie jüdisch-arabischer Koexistenz und zur Geschichte des Nahen Ostens. Es unterrichtet arabische Sprache und Kultur, aber auch die Geschichte des Holocausts, des jüdischen Widerstandes und Kibbuz- und Arbeiterbewegung. Eine 120.000 Medien und Millionen von Dokumenten umfassende "Friedensbibliothek" steht seit 2001 Forschern aus der ganzen Welt zur Verfügung.

Givat Haviva begreift sich als Brückenbauer. Seine Aufgabe sieht es in stetiger Erziehungsarbeit, um den stockenden Friedensprozess als Prozess "von unten", das heißt auf der Ebene der einzelnen Menschen, voranzubringen. Beispielsweise lernen sich im Projekt "Kinder lehren Kinder" jüdische und arabische Schulklassen kennen und verstehen.

Für dieses Engagement wurde Givat Haviva 2001 mit dem Preis der UNESCO für Friedenserziehung geehrt.
Givat Haviva ist auch außerhalb Israels vertreten - die MdB Dagmar Schmidt war bis zu ihrem Tod im Jahr 2005 Vorsitzende von Givat Haviva Deutschland e.V. Viele Projekte entstehen hier in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Kibbuzaktivistin, Fallschirmjägerin und Widerstandskämpferin

Givat Haviva, der "Hügel von Haviva", erinnert an Haviva Reik. Die jüdisch-slowakische Widerstandskämpferin emigrierte 1939 nach Palästina in den Kibbuz Ma'anit, ließ sich später zur Fallschirmspringerin ausbilden und landete 1944 in ihrer slowakischen Heimat, um sich dem Widerstand gegen die Nazis anzuschließen. Am 20. November 1944 wurde sie von der SS hingerichtet. Anlässlich der Jubiläumsfeier wurde zu ihrem 65. Todestag eine Erinnerungs-Stele auf dem Gelände des Instituts enthüllt.

Vor allem aber verleiht Givat Haviva seit 1994 den Haviva-Reik-Award, um den Einsatz für Dialog und Toleranz zwischen Juden und Arabern zu ehren. Zu den bisherigen Preisträgern gehörten neben Muhammad Ali und Daniel Barenboim auch die SPD-Politiker Kurt Beck, Sigmar Gabriel, Johannes Rau und Dagmar Schmidt.

Zum 60jährigen Jubiläum ging der Preis in der vergangenen Woche an die Sängerinnen Ahinoam Nini ("Noa") und Mira Awad. Als jüdisch-arabisches Duo hatten die beiden Israel beim diesjährigen Eurovision Song Contest vertreten und damit für Dialog und Toleranz geworben.

Im Rahmen der Preisverleihung versprach Avishai Bravermann, israelischer Staatsminister für Minderheitsfragen, wie Alex G. Elsohn, der Europa-Direktor von Givat Haviva uns berichtete, vor rund 500 Gästen: "Israel ist verpflichtet, die immer noch andauernde Benachteiligung der arabischen Bevölkerung im Staat aufzuheben und die hohe Loyalität der arabischen Bürger anzuerkennen."

Kurt Beck schrieb in einem Grußwort: "Dass mit Ihnen in diesem Jahr Musikerinnen für Ihr Engagement gewürdigt wurden, halte ich für ein wichtiges Zeichen, macht es doch deutlich, dass Verständigung und Versöhnung im kulturellen Bereich mit dem politischen Ausgleich einhergehen muss."

In ihren Dankesworten erwiderte Ahinoam Nini: "Es überwältigt mich immer wieder zu sehen, wie viele Leute ohne daraus ein großes Aufheben zu machen, sich mit viel Energie für eine bessere Verständigung zwischen Juden und Arabern einsetzen, dies in aller Stille in ihrem engen Umkreis tagtäglich tun" - und beschrieb damit exakt die ungemein wichtige Arbeit von Givat Haviva.


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Martin Schmidtner

ist Blogger für kulturelle Events.

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