Kultur

Frecher Kampf für fairen Lohn

von ohne Autor · 22. Januar 2011
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Auch ohne den reißerischen Titel der deutschen Fassung wäre Coles neuem Werk (Originaltitel: "Made In Dagenham") genügend Aufmerksamkeit Gewiss gewesen, denkt man an die Missstände in Sachen Geschlechter- und Lohngerechtigkeit hierzulande. Umso wichtiger ist es, an die Zähigkeit zu erinnern, mit der eine überschaubare Gruppe von Fabrikarbeiterinnen eine Entwicklung lostrat, an deren Ende der "Equal Pay Act" stand.

Doch bis die Näherinnen von Autositzbezügen männlichen Arbeitern in Sachen Lohn gleichgestellt wurden, hatten sie etliche Widerstände zu überwinden: in den Chefetagen von Ford, aber auch unter Gewerkschaftsfunktionären und ihren Ehemännern, die Streiks und faire Löhne für Männersache hielten. Ganz zu schweigen von 55 000 Ford-Arbeitern, die um ihre Jobs fürchteten, als die Bänder still standen.

"Equal Pay Act"
Mittels der klassischen Wesenszüge der britischen Sozialkomödie erzählt Cole ("Calendar Girls") den Arbeitskampf vor allem als Geschlechterkampf. Mit reichlich Swinging-Sixties-Flair erwacht der Alltag in einer Industriearbeiterstadt vor den Toren Londons zum Leben, den die streikenden Frauen auf den Kopf stellten.

Besonders intensiv verfolgt der Film den Weg Rita O' Gradys (großartig: Sally Hawkins) von einer unscheinbaren Näherin zur Streikführerin. Wie auch deren Mitstreiterinnen, wird die junge Mutter und Ehefrau in all ihren Stärken und Schwächen porträtiert. Ohne als Lichtgestalt verklärt zu werden, macht sie den Einsatz für ihre Geschlechtsgenossinnen zu ihrer Mission.

Von der Näherin zur Streikführerin
Manch einer mag sich an der temporeichen Erzählweise stören, die den Furor der Arbeiterinnen unaufhaltsam auf den Erfolg zusteuern lässt. Als wäre die Diskriminierung auf dem Lohnzettel so locker zu bezwingen, wie es Jimmy Cliffs Evergreen "You Can Get It If You Really Want" als Siegeshymne in der Schlussszene suggeriert. Doch ein Mangel an Tiefe ist daraus nicht abzuleiten. Denn ebenso deutlich tritt die Sympathie und die Liebe zum Detail zutage, die den Blick des 1959 geborenen Regisseurs auf die nicht eben aalglatten Protagonistinnen ausmacht.

Gerade wegen derer so unterschiedlichen Charaktere und Alltagssorgen erscheint dieses Bündnis anfangs ziemlich brüchig. Nur das Ziel eines fairen Lohnes scheint die Frauen aus der schäbigen Neubausiedlung , die sie wie ein Stigma mit sich tragen, zu einen. Hinzu kommt, dass der Film immer wieder hinter die Gardinen der grauen Blocks blickt und dadurch einen weiteren Faden aufnimmt: den beginnenden Wandel der Rollenbilder und Geschlechterbeziehungen innerhalb der Familien.

Geschlechtergerechtigkeit made in Dagenham
Nicht zuletzt zählt die Situationskomik zu den Stärken dieser überaus sinnlichen Erzählung von Zeitgeschichte, die sich nicht scheut, ein soziales Milieu mit all seinen schrägen und groben Seiten darzustellen. Zu den Schlüsselszenen zählt die Demonstration in der Londoner City, mit der die Näherinnen ihre Forderung nach "Sexual Equality" publik zu machen.

Nicht nur ein nicht ganz ausgebreitetes Transparent sorgt dabei für ungeahnte Wirkung. So sind es gerade komische Mittel, die die Botschaft dieses Films deutlich machen: Um gesellschaftliche Fairness zu erkämpfen, bedarf es mitunter weniger einer perfekten Performance, sondern vor allem eines aufrichtigen und ausdauernden Engagements. Das haben die wahren Frauen von Dagenham, die im Abspann zu Wort kommen, bewiesen.


We Want Sex, Großbritannien 2010, Regie: Nigel Cole, Darsteller: Sally Hawkins, Bob Hoskins, Miranda Richardson, Kinostart: 13. Januar, Länge: 113 Minuten. FSK: ab sechs Jahre Mehr Informationen unter www.wewantsex-derfilm.de

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