Kultur

Filmtipp: Wie zwei Freunde in Äthiopien für ihren Traum kämpfen

Für ihre Karriere lassen zwei Jungen alles hinter sich. Und dann? Das deutsch-äthiopische Drama „Running Against The Wind“ erzählt von Aufbruch und Hoffnung in Äthiopien unter denkbar schwierigen Bedingungen.
von ohne Autor · 17. Juli 2023
Der angehende Profi-Sportler Abdi (Ashenafi Nigusu) unterwegs in den Slums von Addis Abeba.
Der angehende Profi-Sportler Abdi (Ashenafi Nigusu) unterwegs in den Slums von Addis Abeba.

Nach hoffnungsvollen Jahren ist das Bild von Äthiopien in letzter Zeit wieder düsterer geworden. Schuld ist der Bürgerkrieg in der Provinz Tigray und das wachsende Elend dort. Der Kinofilm „Running Against The Wind“ („Gegen den Wind rennen“) wählt eine vergleichsweise optimistische Tonart. Er erzählt vom Aufbruch, aber auch von problematischen Bedingungen in dem nordostafrikanischen Land. Im Mittelpunkt stehen zwei Jungen, die um jeden Preis ihren Lebenstraum verwirklichen wollen.

Hoffnung auf den Durchbruch in der fernen Hauptstadt

Die zwei Freunde Solomon und Abdi wachsen wie Brüder in einem abgelegenen Dorf auf. Im Alter von zwölf Jahren werden in ihnen Sehnsüchte geweckt, die sie in einen für sie sagenumwobenen Ort führen werden: die ferne Hauptstadt Addis Abeba. Nach ersten Erfolgen als Läufer erhofft sich Abdi in der Millionenstadt den ganz großen Durchbruch. Solomon möchte dort als Fotograf reüssieren. Auf dem Weg zu ihren großen Zielen verlieren sich Solomon und Abdi aus den Augen.

Die Geschichte(n) dieses Filmes wurden von realen Begebenheiten inspiriert, lässt der Verleih wissen. Der deutsche Regisseur Jan Philipp Weyl lässt durchblicken, dass es ihm darum ging, ein realistisches Bild von dem Land zu zeichnen, das bis vor Kurzem als afrikanischer Musterstaat gegolten hat – wegen seiner demokratischen Entwicklung und einer relativen inneren Stabilität. Gleichwohl ist der Film von der Motivation durchzogen, stets die Mannigfaltigkeit eines Landes mitten in der Transformation zu beleuchten: Die schönen und hässlichen Seiten dieser Übergangswelt ergeben ein schillerndes und krasses Nebeneinander.

Gesellschaft ohne Sicherheit

Ist in dieser unsicheren Gesellschaft, die in dem Moloch Addis Abeba besonders krasse Züge trägt, Platz für Träume? Abdi lebt in einem Trainingslager in der Hauptstadt und bereitet sich auf einen nationalen Wettkampf vor, der ihm den Weg zu den Olympischen Spielen bahnen soll. Seiner Intuition folgend, begibt er sich Jahre nach dem letzten Treffen auf die Suche nach seinem Freund.

Solomon lebt mit Frau und Kind in einem Elendsviertel und ist in den Fängen einer Gangsterbande gelandet. Viele nennen ihn „Foto“, doch der Erfolg mit der Kamera ist ein Traum geblieben. Als sich Solomon und Abdi nach Jahren wiederfinden, sind sie einander fremd geworden. Und sie stehen vor großen Herausforderungen. Abdi, mittlerweile auf Tuchfühlung mit höheren Kreisen, will seinem Freund einen Ausweg aus dem Elend und erste Schritte hin zu einer erfolgreichen Laufbahn als Fotograf ermöglichen. Eine Entscheidung, die beider Lebenswege in neue Bahnen lenkt und die Freundschaft auf harte Proben stellt.

Die ausgiebigen Szenen des urbanen Chaos in Addis Abeba, das nachts besonders eindrucksvoll eingefangen wird, laden dazu ein, sich von den Eindrücken der Gewalt und Rücksichtslosigkeit, aber auch der Lebenskraft der Menschen überwältigen zu lassen. Es ist auch das Porträt einer Stadt, die unzählige Menschen anzieht und sie zugleich spüren lässt, dass sie sie gar nicht braucht – wie so viele andere Metropolen dieser Welt auch.

Dabei bleibt eine präzise Beschreibung der beiden Hauptcharaktere auf der Strecke. Der Blick auf Solomon und seinen Fotografen-Traum besitzt durchaus Tiefe und Energie, bleibt angesichts der übermächtig anmutenden äußeren Umstände aber häufig im Ungefähren.

Blasser Eindruck

Weitaus blasser bleiben Abdi und seine Erfahrungen auf dem Weg zum Top-Sportler. Viele Szenen, die das Empowerment durch Sport beschwören – mit groovender Musik unterlegt und mit schnellen Schnitten gestaltet – besitzen die Tiefe von Musikvideos. Der Cameo-Auftritt von Äthiopiens Langstrecken-Legende Haile Gebrselassie bleibt ohne größere Wirkung. Im direkten Miteinander sind die beiden Protagonisten am lebendigsten.

Jan Philipp Weyls in weiten Teilen rauer, wenn bisweilen auch melodramatischer Erzählung geht es sichtlich darum, mit Klischees über Äthiopien und den afrikanischen Kontinent aufzuräumen. Drei Jahre lang lebte der 36-Jährige, der sich obendrein als Afrika-Aktivist engagiert, in Äthiopien. Seine Vertrautheit mit der Sprache und dem Alltagsleben tragen entscheidend zur atmosphärischen Dichte bei.

Und mit Blick auf die Kraft der Freundschaft zwischen zwei Menschen, die auf ihrem Weg Richtung Lebensglück letztendlich ohne rettende Hand von außen auskommen, setzt Äthiopiens Oscar-Kandidat von 2020 eine hoffnungsvolle Pointe – den widrigen Umständen zum Trotz.

Info: „Running Against The Wind“ (Äthiopien/Deutschland 2019), Regie: Jan Philipp Weyl, Drehbuch: Michael Wogh, Kamera: Mateusz Smolka, mit Ashenafi Nigusu, Mikiyas Wolde, Joseph Reta Belay, Ferhane Beker, Haile Gebrselassie u.a, 116 Minuten.

Ab 20. Juli im Kino

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