Der von ihm offenbar selbst geplante Abschied aus dem Leben lässt Veronica Hegarty keine Ruhe. Das Bedürfnis, nach den Gründen seines Freitods zu fragen, ruft Bilder und Gedanken hervor: An
ihre Mutter, die mit 12 Kindern und sieben Fehlgeburten bis in die Gegenwart hinein nicht in der Lage ist, sich die Namen ihres Nachwuchses zu merken. An das unruhige Leben mit elf Geschwistern
in einem viel zu kleinen Haus. An die Geburt ihrer eigenen Kinder und ihre Ehe mit einem erfolgreichen Geschäftsmann. Auch Erinnerungen an das Haus der Großeltern werden wach, in dem sie mit
ihrem Bruder Liam zeitweise lebte und in dem ihm etwas angetan wurde, an das sie nur unter großen Mühen denken kann.
So entwirft Anne Enright in ihrem Roman das Porträt einer irischen Großfamilie ohne Spur von Harmonie und rückwärtsgewandter Verklärung. Als "starkes, unangenehmes, und streckenweise
zorniges Buch" lobte der Jury-Vorsitzende des wichtigsten britischen Literaturpreises, Sir Howard Davis, das Werk. Als einen "ungeschminkten Blick auf eine trauernde Familie, geschrieben in
harter und ausdrucksstarker Sprache".
Anne Enright: Das Familientreffen. DVA, München 2008. Gebunden, 352 Seiten, 19,95 Euro
Hier bestellen
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.