Einig sind sich Hans Eichel und Henry M. Broder nur in einem: Den europäischen Kontinent wird es auch in Zukunft geben. Ob künftig noch die europäische Union eine Rolle spielen sollte, darüber konnten sich Publizist Broder und der frühere Bundesfinanzminister Eichel am vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse nicht einigen.
Wann entstand die europäische Idee, sollten Europas Grenzen durchlässiger werden und wie viel Regulierung braucht die Europäische Union? Über diese Fragen debattierten der Publizist Henryk M.Broder und der SPD-Politiker Hans Eichel am Eröffnungstag der Frankfurter Buchmesse am vorwärts-Stand.
Anhand von Broders im August erschienen Buch „Die letzten Tage Europas. Wie wir eine gute Idee versenken“ diskutierten der Europa-Kritiker Broder und der frühere hessischen Ministerpräsidenten und ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel engagiert über die Bedeutung der Europäischen Union. Gewohnt streitlustig geißelte Broder den vermeintlichen „Regulierungswahn“ der Europäischen Union.
Während Glühbirnen und Gurken einheitlich normiert würden, gelänge es der EU nicht, in wichtigen politischen Entscheidungen mit einer Stimme zu sprechen. So habe sie etwa keine gemeinsame Linie zu Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine entwickelt und weder den Kosovo noch den Irland-Konflikt ohne Hilfe der USA lösen können.
„Ich verstehe ihre Debatte einfach nicht“, konterte Eichel. Er warf Broder „reine Polemik“ vor, nachdem dieser Europa als „so geteilt wie nie zuvor“ bezeichnet hatte und auf die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland verwies. Stattdessen gäbe es zumindest wirtschaftlich eine Einheit: Europäische Unternehmen und Finanzmärkte arbeiteten eng zusammen, so Eichel.
Der ehemalige Bundesfinanzminister übte durchaus auch Kritik an der Europäischen Union. „Die Institution ist ziemlich unvollkommen“. Eichel kritisierte das fehlende Initiativrecht des Europäischen Parlaments, das keine eigenen Gesetzesvorlagen einbringen kann. Zudem überwögen meist die Nationalstaatsinteressen. So auch in der Flüchtlingspolitik. „Das Elend Europa ist die Unfähigkeit der nationalen Regierungen sich zu einigen“, sagte er. „Die entscheidende Frage ist, ob wir fähig und willig sind, uns mit anderen trotz aller Unterschiede zusammenzufinden.“
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