Sie hat sie besucht: die so genannten Mitbürger mit Migrationshintergrund. Vor allem aber hat Margalith Kleijwegt versucht hinter dieses reichlich abstrakte Etikett zu sehen. Ein Jahr lang
war sie in einem Amsterdamer Viertel mit besonders hohem Immigrantenanteil unterwegs. Im Stadtteil Slotervaart, in dem auch der Mörder des Filmemachers Theo van Gogh aufgewachsen ist, lernte die
Journalistin Zuwandererfamilien kennen und gewann einen Einblick in ihr Leben.
Am Rande der Gesellschaft
Neunzehn Jugendliche einer "schwarzen Schule" suchte Kleijwegt zu Hause auf. Es war nicht immer leicht einen Termin zu bekommen - das Misstrauen war groß, berichtet sie in ihrem Buch.
Schließlich sei sie häufig die erste Niederländerin gewesen, die die Familien in dem "schwarzen Viertel", in dem sie leben, besuchte.
Was Kleijwegt in ihren Reportagen beschreibt, ist ein Leben am Rande der Gesellschaft: "Das hat sich so ergeben. Und sie haben sich daran gewöhnt. Sie wohnen in 'schwarzen' Vierteln und ihre
Kinder gehen in 'schwarze' Schulen." Häufig könnten sich die Eltern in der fremden Umgebung kaum selbst behaupten. Viele sprechen davon, bald in ihre Heimat zurückzukehren und orientieren sich nur
an der Kultur ihrer Herkunftsländer. In das Leben ihrer Kinder außerhalb der eigenen vier Wände haben sie kaum Einblick.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass viele Eltern - besonders die Mütter - die Landessprache kaum oder gar nicht sprechen. Kleijwegt zeigt das Problem auf. Sie spricht es auch in den Familien
an. Gleichzeitig ist ihr aber bewusst, dass die meisten der Frauen noch nie eine Schule besucht haben. So fällt ihnen das Lernen der Fremdsprache besonders schwer. Und trotzdem: Die mangelnde
Sprachkenntnis verschärft die Isolation zusätzlich.
Aufwachsen zwischen den Kulturen
"Wenn sich die Eltern nicht mit der niederländischen Gesellschaft verbunden fühlen, wie kann man das dann von ihren Kindern erwarten?" Und was bedeutet es für Jugendliche zwischen zwei
Kulturen zu leben? Was heißt es, die Sprache der Eltern schlechter zu sprechen als die Landessprache? Wie fühlt es sich an, wenn Eltern auf ihre heranwachsenden Kinder angewiesen sind, um den
Alltag zu meistern - weil etwa Behördenwege oder Arztbesuche aufgrund fehlender Sprachkenntnisse alleine undenkbar sind? Fragen wie diese behandelt das Buch. Und vermittelt damit einen Eindruck vom
Umfeld, in welchem Jugendgewalt häufig entsteht.
Die Reportagen lassen eine Ahnung davon aufkommen, wie der Alltag vieler Immigrantenfamilien aussieht. Die Autorin ist dabei weder voyeuristisch noch anklagend. Vielmehr versucht sie, ein
differenziertes Bild zu zeichnen. Die Situation ist komplex und es ist höchste Zeit, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Kleijwegt zeigt Probleme auf ohne vorschnell platte Lösungsvorschläge
zu präsentieren. So sind ihre Reportagen auch für Deutschland aufschlussreich und wichtig.
Birgit Güll
Margalith Kleijwegt: "Schaut endlich hin! Wie Gewalt entsteht - Bericht aus der Welt junger Immigranten" Herder Verlag. 2008. ISBN 978-3-451-29823-3. 16,95 Euro
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