Mehr als 1,3 Millionen Mal verkaufte sich Thilo Sarrazins viel kritisiertes Buch „Deutschland schafft sich ab“. Der tschechische Künstler Martin Zet sammelt es nun ein, um das Buch und seine Wirkung loszuwerden: „Deutschland schafft es ab“ heißt seine Kampagne zur 7. Berlin Biennale.
Thilo Sarrazins Verkaufsschlager „Deutschland schafft sich ab“ löste nach seinem Erscheinen im Sommer 2010 eine Welle der Kritik aus. Seine biologistische Argumentation, seine Interpretation und Auswahl von Statistiken, genau wie seine Forderung nach einer restriktiven Zuwanderungspolitik sorgten für Empörung und Entsetzen.
Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft
Sarrazin „fordert uns zur Aufgabe all dessen auf, was Sozialdemokratie ausmacht: unser Bild vom freien und zur Emanzipation fähigen Menschen“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel damals. Die SPD leitete ein Parteiordnungsverfahren ein, um den ehemaligen Berliner Finanzsenator aus der Partei auszuschließen. Das Verfahren wurde eingestellt. Vergessen sind Sarrazins heftige Angriffe auf Muslime, insbesondere auf die türkischen Einwanderer in Deutschland, noch längst nicht.
Der Künstler Martin Zet macht sich Gedanken über die Wirkung von Sarrazins Buch. „Ab einem bestimmten Moment ist es nicht mehr wichtig, was die Qualität oder wahre Intention eines Buches ist, sondern welchen Effekt es in der deutschen Gesellschaft hat“, so Zet. Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ habe anti-migrantische und vor allem anti-türkische Tendenzen geweckt und gefördert. Zet möchte den Spieß nun umdrehen: Menschen können das Buch, das über diese Gesellschaft urteilt, dazu benutzen die eigene Position deutlich zu machen. „Deutschland schafft es ab“, heißt die Aktion.
Kunst als politischer Faktor
Zet sammelt Sarrazin-Bücher ein. Jeder der möchte, kann Exemplare zu einer Sammelstelle bringen oder sie im Berliner KW Institute for Contemporary Art abgeben. Im Rahmen der 7. Berlin Biennale, die vom 27. April bis zum 1. Juli 2012 stattfindet, will Zet die Bücher in einer Installation zeigen. Nach dem Ende der Ausstellung sollen sie recycelt werden. Zet hofft mindestens 60.000 Exemplare, das sind gerade mal fünf Prozent der Gesamtauflage, einsammeln zu können.
Die Kunst-Aktion ist Teil der diesjährigen Berlin Biennale, die danach fragt, inwieweit Kunst politische Prozesse beeinflussen kann. Sie wird vom polnischen Künstler Artur Zmijewski kuratiert. Kunst müsse Prozesse anstoßen, die sich auf die Realität auswirken, sagt er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Neben der Finanzwelt sei auch die Kunst in eine Krise geraten. Ihr kommerzieller Erfolg sei in den Vordergrund getreten. Für den Staat sei sie nicht mehr wirklich wichtig, kritisiert er. Ab 27. April wird auf der Berlin Biennale zu sehen sein, wie der Kurator Zmijewski dafür sorgt, dass Kunst sich in die aktuelle Gesellschaftspolitik einmischt. Zets Aufruf ist wohl ein Vorgeschmack darauf.
Informationen zur Berlin Biennale und zu der Aktion von Martin Zet
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.