Es heißt, sie sei die Königin des politischen Denkens, aber nicht die Königin der Sprache. Der wohl berühmtesten Totalitarismuskritikerin Hannah Arendt verlieh die
Schriftstellerin Karin Hempel-Soos ihre Stimme. Sie versetzte das Publikum in die tragisch-verliebte Stimmung einer jungen Frau von gerade mal 18 Jahren. Dagegen hielt Peer Steinbrück die
pathetischen Besitzansprüche des um 17 Jahre älteren Martin Heideggers durch. Er befand gleich nach dem ersten Abschnitt: " Ich hab darum gebettelt Hannah Arendt lesen zu dürfen," da Heideggers
Sprache "kaum bekömmlich" sei.
Das Publikum musste des öfteren schmunzeln, zu erstaunlich erscheint die Verbindung zwischen der Exilantin Arendt und dem NS-Befürworter Heidegger. Das NSDAP-Mitglied, dessen Hauptwerk
"Sein und Zeit" die Philosophie des 20. Jahrhunderts prägte, stand im totalen Gegensatz zu der politischen Theoretikerin, die nach New York emigrierte und in den USA ihr neues zu Hause fand.
Auch der Briefwechsel spiegelt diese ungleiche Beziehung wider. Heidegger ließ von seinen Lebensumständen wegen der soviel jüngeren Arendt nicht los. Er bestimmte auch Zeit und Form der
Treffen. In seinen Beschreibungen wird Arendt zu einer Heiligen, die "dem fraulichen immer-nur-schenkens" entspräche und ihm ihre "dienende Freude" und ihr "Mädchenhaftes Wesen" gebe.
Arendt dagegen war dazu verdammt, immer nur zu "warten, warten, warten". Sie erlangte trotz der räumlichen Ferne, die nach 1926 zwischen beiden entstand, keine emotionale Distanz und nahm
die konfliktreiche Rolle des passiven Parts an. So schrieb sie nach dem Krieg, dass sie sich weder als deutsche noch jüdische Frau empfände, sondern schlicht als "das Mädchen aus der Fremde".
Die eingangs gestellte Frage, wann etwas derart Privates wie Liebesbriefe von Menschen von öffentlichem Interesse auch für die Gesellschaft von Bedeutung ist, konnte hier nicht beantwortet
werden. Wohl aber wurde an diesem besonderen Exempel deutlich, wie sehr Menschen zwischen Verrat, Liebe und Schicksal hin- und her geworfen sein können.
Julia Kleinschmidt
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