Alles beginnt mit einem Telefonanruf. Im November 2004 wird Amelie Fried von ihrem Mann angerufen, der beim New-York-Marathon mitgelaufen ist. Er erzählt von seinem Besuch im Leo Baeck Institut, das die Geschichte der Juden im deutschsprachigen Raum erforscht, und dass er dort in einem Gedenkbuch auf Max Fried, den Großonkel seiner Frau, gestoßen sei.
Erst bei diesem Gespräch erfährt Amelie Fried, dass sie jüdische Vorfahren hat und dass diese während der Nazi-Zeit verfolgt wurden. Nicht wahrhaben oder hinsehen lautet die Frage, mit der sich Fried plötzlich konfrontiert sieht. Sie entscheidet sich fürs Hinsehen und beginnt, die Geschichte ihrer Familie zu erforschen. In ihrem neuesten Buch findet Fried in detektivischer Kleinarbeit heraus, wie ihre Großeltern, Besitzer des renommierten Schuhhauses "Pallas" in Ulm, Opfer antisemitischer Angriffe wurden. Familienangehörige geben ihr bei der Rekonstruktion der Familiengeschichte ebenso Auskunft wie Archive.
Und schließlich ist auch der Zufall als Helfer zur Stelle. Zum Schluss verschlägt sie ihre Recherche gar ins amerikanische Seattle. Pars-pro-toto-Erzählung Für - vor allem jugendliche - Leser erzählt Amelie Fried diesen besonders bewegenden Teil ihrer Familiengeschichte. Er steht dabei stellvertretend für das Schicksal von mehr als sechs Millionen Juden, die während der Nazi-Herrschaft umgebracht wurden. Pars pro toto erfährt der Leser von den alltäglichen Schikanen, denen die Großeltern und der Vater der Autorin ausgesetzt waren. Fried beschreibt diese anschaulich und sehr persönlich.
Der Stil der Darstellung schwankt zwischen tagebuchähnlichen Notizen von Frieds Recherchen und einer chronologischen Darstellung des Schicksals ihrer Vorfahren. Neben ihren Großeltern und ihrem Vater stehen diverse Großonkel und -tanten sowie Cousins und Cousinen im Mittelpunkt. Leider verwirrt diese Darstellung im Verlauf des Buchs zusehends und erschwert den ansonsten regen Lesefluss. Anders verhält es sich mit dem umfangreichen Register der Anmerkungen.
Rund 70 Begriffe, die im Text auftauchen, werden erläutert: die NSDAP ebenso wie der Holocaust und die Gestapo. Lektüre mit Gewinn Schriftstellerisch trifft die Autorin und Fernsehmoderatorin meist den Ton. Durch die eigene Betroffenheit ist das Erzählte in höchstem Maße authentisch und erreicht den Leser direkt. Manchmal jedoch mangelt es dadurch an Distanz und Objektivität, die bei einem der wichtigsten Kapitel der deutschen Geschichte dringend nötig sind.
Alles in allem ist Amelie Fried mit "Schuhhaus Pallas" allerdings ein ausgezeichnetes Jugendbuch gelungen, das Kindern die Schrecken des Holocaust anschaulich nahe bringt und von dessen Lektüre sie eine Menge mitnehmen werden. Erwachsene mögen sich an einigen Stellen stoßen, doch auch sie werden das Buch mit Gewinn lesen.
Amelie Fried: Schuhhaus Pallas. Wie meine Familie sich gegen die Nazis wehrte, Hanser Verlag 2008, 14,90 Euro, ISBN: 978-3-446-20983-1