"Die Presse schreckt heute vor nichts mehr zurück. Sie unterstellt, dass die Menschen kein Vertrauen in die Politik hätten. Aber das ist gelogen. Vielmehr können die Medien im Moment ihre
letzten Leser, Hörer und Seher nur noch mit Schlagzeilen gegen uns Politiker am Tropf ihrer weitgehend maroden Verlage und Anstalten halten."
Zwar stammt das Zitat nur aus dem gerade erschienenen Buch "Nasentanz", einer Polit-Satire von Joseph Dehler, ausgesprochen von einer fiktiven Figur, der Ministerin Roberta Schönhals,
jedoch steckt in jeder satirischen Betrachtung immer etwas Wahrheit. Auch in diesem Fall, wenn also ein Politiker anmerkt, dass heute in vielen Fällen die Arbeit der Presse nur noch aus
Schlagzeilen und Sensationen besteht. Doch auch das gehört zur Aufgabe eines Journalisten. Nicht allein die Verkündung von Meldungen, sondern auch die freie und kritische Meinungsäußerung gehört
zum Repertoire eines Berichterstatters.
Abdriften in Selbstgerechtigkeit
Kritisch setzt sich der Autor mit der Wirklichkeit in Politik und Regierungen auseinander. Dehler offenbart die üblichen Rituale der Macht werden und beobachtet das lässige Überspielen des
Mangel an Inhalten. Politiker seien von Hochmut gezeichnet und in ihrer Selbstgerechtigkeit abgedriftet. Selbst die "bürokratischen Handlanger" seien völlig von der Realität abgekommen. Daher der
Hauptkritikpunkt Dehlers: Wenn über Politikverdrossenheit und Wahlabstinenz debattiert wird, seien diese Aspekte nur unzureichend Teil der Diskussion.
Um die genannten Prozesse beispielhaft zu verdeutlichen, bedient sich Dehler frei erfundener Figuren wie der Ministerin Roberta Schönhals oder ihrem Büroleiter August Benke. Er schildert
den ganz normalen Alltag im Leben eines Politikers, im Zusammenspiel mit anderen Personen und deren täglichen Umgang untereinander.
Da ist etwa der Abgeordnete Herbert Winkl von der Freien
Unternehmer-Partei Deutschlands (FUPD), der seinen Kollegen Alfred Stempel regelmäßig zur Weißglut treibt. Der Hinterbänkler Winkl besticht weniger durch Redebeiträge oder inhaltliche Äußerungen,
sondern vielmehr durch seine Teilnahmslosigkeit und seine fußgymnastischen Übungen. Er zieht das Privileg des Beineausstreckens in den hinteren Reihen den engen, mit Akten vollgepackten
Sitzplätzen und Tischen in den vorderen Reihen vor. Mehr als die oft inhaltslosen Debatten interessiert ihn der schräg gegenüber hängende Bundesadler. Enorm unzufrieden ist er daher mit der
"chaotischen Adlerpolitik". Eine konsequente Linie in der öffentlichen Darstellung des Wappentiers könne er überhaupt nicht erkennen. Egal ob im Parlament, in den Wappen der Bundesländer, an
öffentlichen Plätzen oder wo der Adler eben sonst noch auftaucht. Ständig sei er anders dargestellt. So gehe man doch nicht mit einem nationalen Symbol Deutschlands um.
"Hände weg von den Politikern!"
Die einzelnen Episoden in Josef Dehlers Buch schildern mal mehr, mal weniger ernsthaft, wie Politik heute gemacht wird. Mit Humor lassen sich die kleinen Geschichten verpacken in ein großes
Ganzes. Die Politik hat sich zu weit von der Gesellschaft entfernt. Oft reagieren die Menschen deshalb mit Fassungslosigkeit, Verachtung und Spott auf die Schwächen der Politik. Als Getriebene
sind Politiker vor allem auf sich selbst fixiert, nehmen ihre Umgebung kaum mehr wahr. Nur so ist daher die Drohung zu verstehen, welche die Ministerin Roberta Schönhals formuliert:
"Journalisten! Hände weg von den Politikern! Sonst schaufelt Ihr euch euer eigenes Grab."
Joseph Dehler: "Nasentanz. Früchtchen aus dem Garten der Macht", VAS Verlag, Bad Homburg, 2010, 292 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-88864-492-4