Kultur

Ein Erneuerer der deutschen Sozialdemokratie

von Die Redaktion · 10. Oktober 2006

Waldemar von Knoeringen (1906-1971) gehört zu jenen sozialdemokratischen Politikern, die nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur der SPD ein modernes Gesicht gaben und sie für die neuen Herausforderungen der Nachkriegszeit öffneten. Die Neugestaltung und "Mobilisierung" der sozialen Demokratie, das Verhältnis von demokratischem Sozialismus und Naturwissenschaften und die Kultur- und Bildungspolitik: Das waren die Themen, die Knoeringen in die Debatte um den Kurs der SPD einbrachte.

Knoeringen stand über viele Jahre im Zentrum sozialdemokratischer Politik: als stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender, als bayerischer SPD-Vorsitzender und Fraktionsvorsitzender im bayerischen Landtag, als "Architekt" der Vierer-Koalition und Gründer der Georg-von-Vollmar-Akademie. Zusammen mit Wilhelm Hoegner war er es, der der bayerischen Nachkriegssozialdemokratie ihr Profil gab und erheblichen Anteil an dem kontinuierlichen Stimmenzuwachs der SPD bis Mitte der 1960er Jahre in Bayern hatte.

Mit einer Schar junger Leute, die er um sich sammelte, dachte er über die Zukunft des demokratischen Sozialismus nach und schmiedete Pläne für die politische Bildung breiter Bevölkerungskreise. Zu dieser Gruppe gehörten vor allem Hans-Jochen Vogel und Peter Glotz. Knoeringen war undogmatisch - im besten Sinne, unbequem, auch gegen die Borniertheiten der eigenen Partei, vor allem wenn es darum ging, aus der Dynamik der modernen Massen- und Konsumgesellschaft Konsequenzen für die Sozialdemokratie in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu ziehen.

Aus Anlass seines 100. Geburtstages am 6. Oktober haben die beiden Herausgeber Helga Grebing und Dietmar Süß Dokumente seines politischen Lebenswerkes ausgewählt, in deren Zentrum die Zukunft des demokratischen Sozialismus und die Demokratisierung der deutschen Nachkriegsgesellschaft stehen. Die Auswahl konzentriert sich auf Knoeringens Rolle als bayerischer Politiker, seinen Beitrag zur Bundespolitik, zur Erneuerung des demokratischen Sozialismus, als Reformer der Sozialdemokratie in den Diskussionen um das Godesberger Programm sowie zur Reform der Kultur- und Bildungspolitik.

Die Reden, Briefwechsel und Interviews werden ergänzt von Beiträgen bekannter Historiker und Sozialwissenschaftler: Julia Angster, Daniela Münkel, Hedda Jungfer, Hartmut Mehringer, Michael Stephan, Klaus Schönhoven, Heiko Tammena sowie Helga Grebing und Dietmar Süß erinnern an Waldemar von Knoeringens Leistung und vermessen seine Bedeutung für den Wandel der SPD von der Klassen- zur Volkspartei der linken Mitte. Allen voran würdigt der ehemalige SPD-Parteivorsitzende Hans-Jochen Vogel seinen politischen Mentor in einem eigenen Beitrag.

Entstanden ist das Portrait eines außergewöhnlichen Sozialdemokraten, dessen Ideen kaum etwas von ihrer Aktualität verloren haben.

Über die Herausgeber:

Helga Grebing (1930), Professorin, Dr. phil. et. rer. pol. habil., bis 1995 Geschäftsführende Leiterin

des Instituts zur Erforschung der europäischen Arbeiterbewegung der Ruhr-Universität Bochum,

seither publizistisch tätig.

Dietmar Süß (1973), Dr. phil., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte München- Berlin, 2006/07 Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung an der University of Exeter; Veröffentlichungen zur Geschichte der Bundesrepublik und der NS-Geschichte.



Helga Grebing, Dietmar Süß (Hg.) unter Mitarbeit von Katja Klee:

Waldemar von Knoeringen. Ein Erneuerer der deutschen Sozialdemokratie

2 Bände (nicht einzeln beziehbar), vorwärts buch, Format: 17 x 22,5 cm, 255, 455 Seiten, Broschur, 29,80 Euro, ISBN 3-86602-290-5.

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