Anstatt die tausendste Reportage über demografischen Wandel und Generationengerechtigkeit mit ermüdenden Zahlenreihen zu Altersstrukturen und sozial-ökonomischen Entwicklungen zu produzieren, legt das ZDF einen Zukunfts-Krimi vor. Die Story: Ein junger Mann bricht zusammen und stirbt im Krankenhaus - eine Journalistin macht sich auf Spurensuche und stößt bei ihrer Recherche auf dubiose Umstände.
Was passiert, wenn nichts passiert?
Der Krimi erzählt, wie die Zukunft aussehen könnte, wenn die aktuellen Trends unverändert weitergehen: die Chancenlosigkeit in einem Bildungssystem, das sozial aussortiert; die Perspektive- und Hoffnungslosigkeit auf einem Arbeitsmarkt, in dem es keine sicheren und erst recht keine gut bezahlten Jobs mehr gibt; die Spaltung der Gesellschaft in Reich und Arm, Gesund und Krank, Gebildet und Ungebildet, Optimistisch und Abgerutscht, wenn es keine sozialen Sicherungssysteme mehr gibt, die ein Mindestmaß an Gleichheit garantieren.
Alle diese Entwicklungen werden zugespitzt an der Geschichte des Hauptdarstellers erzählt, der sich mit Nebenjobs über Wasser halten muss, sich das Studium nicht leisten kann, und letztlich in der Schuldenfalle landet, als er für die Pfegekosten seiner Mutter aufkommen musste.
Wenn sich die Prekarisierung und die Spaltung der Gesellschaft weiter zuspitzen, wie es derzeitige Trends andeuten, dann ist die Gefahr akuter sozialer Probleme tatsächlich nicht leichtfertig von der Hand zu weisen. Schon heute nimmt die politisch motivierte Gewalt am linken und rechten Rand zu. In Berlin gehen schon heute Autos in Flammen auf. Der Niedriglohnsektor wächst, die Mittelschicht löst sich auf. Was passiert, wenn nichts passiert? - Die Doku-Fiktion des ZDF versucht eine solche Zukunft zu erahnen.
Eine sich selbst widerlegende Prophezeiung
Freilich: Der Film zeichnet ein allzu düsteres Zukunftsszenario. Er überspitzt bewusst. Er will und soll alarmieren, um genau diejenigen Entwicklungen, die er vorhersagt, zu verhindern - gewissermassen als eine sich selbst widerlegende Prophezeiung.
Die gute Botschaft: So schwarz, wie das ZDF die Zukunft malt, wird es wahrscheinlich nicht so schnell kommen. Deutschland ist eine dynamische Volkswirtschaft und eine trotz allem funktionierende Demokratie, die erst im vergangenen Jahr durch das Korrektiv von Bürgerprotesten eine Revitalisierung erfahren hat.
Die zweite gute Botschaft: Die Zukunft ist gestaltbar. Wenn wir heute investieren in Bildung, Kinderbetreuung und Integration, und dem Trend zu ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und sozialer Zerklüftung entgegensteuern, kann Berlin auch im Jahre 2030 immer noch lebenswert aussehen.
Wir brauchen einen Aufstand der Jungen
Die junge Generation jedenfalls hat erkannt, dass sie selbst um ihre Zukunft streiten muss - und geht auf die Straße, ob beim Bildungsstreik, gegen Überwachungsstaat oder gegen Atomkraft. Wir brauchen einen solchen Aufstand der Jungen heute - um einen "Aufstand der Jungen", wie ihn das ZDF in bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Berlin des Jahres 2030 verortet, zu verhindern.