Am 14. Juni lud der Historische Forschungskreis zum Thema "Zwangsmigration
in Europa- historische und aktuelle Perspektiven" in die Berliner
Humboldt-Universität ein. Im Vordergrund stand das gerade erschienene Werk
"Zwangsmigration und Vertreibung- Europa im 20. Jahrhundert" herausgegeben
von Anja Kruke.
Expertinnen und Experten aus acht Ländern kamen 2004 auf Einladung der
Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn zusammen. Ihr Ziel: Ein "Europäisches
Netzwerk gegen Vertreibungen" aufzubauen. Die Aufarbeitung von
Zwangsmigration und Vertreibung solle nur in einem multilateralen Kontext
geschehen. Die Ergebnisse des Kongresses sind in dem Band dokumentiert.
In einer "dezidiert europäischen Perspektive" sehen die Experten den zentralen
Anknüpfpunkt, eine eindimensionale Wahrnehmung zu vermeiden. Die Wahrheit
müsse offen ausgesprochen werden. Daraus entwickelte sich die Vorstellung
eines europäischen Netzwerkes zur Förderung von regionalen und
transnationalen Initiativen. Deutlich setzen sich die Experten damit von der
Vorstellung eines auf Deutschland konzentrierten "Zentrums gegen Vertreibung"
ab.
Ein weiterer Aspekt der Diskussion über Vertreibungen ist auch die
Europäisierung. Dabei bereitet laut Anja Kruke schon die Definition
Schwierigkeiten. Sie distanziert sich aber vor allem von dem Vorurteil, die
Europäisierung sei eine Vereinheitlichung. Gesine Schwan nannte bei der
Vorstellung der Dokumentation die Europäisierung einen langsamen,
komplexen Prozess des Austausches.
Das lesenswerte Ergebnis vereint Beiträge aus unterschiedlichen Perspektiven:
Forschungsergebnisse, Kommentare und thesenartige Essays. So wird die
Geschichte der Vertreibung aus Sicht anderer Staaten, wie Ungarn und Polen
beleuchtet. Dem dokumentarischen Teil mitsamt der Bonner Erklärung folgen
"Beiträge mit einer übergreifenden Perspektive auf Zwangsmigration im 20.
Jahrhundert. Wolfgang Hiphus hat zum Beispiel die Entwicklung von
Schulbuchbeiträgen zum Thema Zwangsmigration seit 1946 untersucht.
Anja Kruke (Hrsg.), Zwangsmigration und Vertreibung - Europa im 20.
Jahrhundert, Dietz-Verlag Bonn 2006, 240 Seiten, 24 Euro, ISBN 3-8012-0360-3.
Dagmar Lappe
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