Kultur

Die Politik im Leben

von Franz Viohl · 24. Juli 2011
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Ashley ist sich sicher: "Mein Freund starb nicht als Held." Als sie die Nachricht von dessen Tod im Irak erhält, entschließt sich die junge Frau, auf einer Kundgebung gegen den Krieg zu sprechen. Dann kommt sie aber in Schwierigkeiten: Um ein paar Dollar hinzu zu verdienen, hatte sie ein Video gedreht, in dem sie halbnackt zu sehen ist und das im Internet kursiert. "Sind das die neuen Feministinnen oder ist sie eine orientierungslose Göre?", lauten die hämischen Stimmen. Rückhalt bekommt Ashley von einer Gruppe von Studenten - und einem Soldaten: "Sie hat mehr für uns getan als ihr alle! Wir sterben für eure Lügen!"

Politik im täglichen Leben

Wie die anderen Kurzfilme zeigt "Ashley/Amber" die Durchdringung von Leben und Politik, die weder den Protagonisten noch dem Zuschauer immer bewusst ist. Die Macher der DVD haben sich die Freiheit genommen, sehr unterschiedliche Beiträge unter dem Titel "Back to Politics" zu vereinen. Das ist ein großer Gewinn. So verschieden die Lebenszusammenhänge auch sind, in alltäglichen Situationen tritt das Politische immer wieder hervor.

Alles andere als alltäglich ist zwar die "Wasserschlacht", die sich Bewohner der Berliner Stadtteile Kreuzberg und Friedrichshain einmal im Jahr auf der Oberbaumbrücke liefern und die Thema eines gleichnamigen Kurzfilms ist. Auch der selbsternannte "Reisebegleiter", der gegen ein geringes Entgelt Fahrgäste vom Frankfurter Flughafen auf seiner Gruppenkarte in die Innenstadt mitnimmt, ist nicht gerade aus dem Leben gegriffen.

Denkt man. Tatsächlich geht es auch hier um das gesellschaftliche Ganze. Das Bild vom Anderen, den wir zum Feind erklären, gibt uns oft nicht nur der Lächerlichkeit preis, sondern zeigt, dass wir die Auseinandersetzung brauchen. Und wenn ein frühverrenteter Lateinlehrer einer solchen Nebentätigkeit nachgehen muss, um leben zu können, dann offenbart das etwas über die soziale Sicherheit in diesem Land.

Reaktionen auf Regelwidriges

"Trotzdem Danke" heißt ein anderer Kurzfilm, der etwas über den Umgang der Menschen mit dem Unerwarteten erzählt. Ein junger Mann macht sich ungefragt daran, die Frontscheiben von einfahrenden Berliner S- und U-Bahnen zu putzen. Während manche Fahrer nach einer Genehmigung fragen und mit der Polizei drohen, freuen sich andere: "Das ist ja ein Service!" Das bleibt, erfreulicherweise, unkommentiert.

Ebenso die Geschichte von Vater und Sohn, die in einer polnischen Stadt nach Holzkohle graben. Diese verkaufen sie illegal an die Stadtwerke und Privathaushalte, dem Bedarf kommen sie mit Schaufeln und Schubkarre kaum hinterher. "Wenn die Polizei die Kohle beschlagnahmt, bekommen wir keine Quittung", sagt der Vater und der Sohn nickt traurig. Auch wenn sie vom Leben nicht viel zu erwarten haben, bejahen die beiden ihr Los. "Was übrig bleibt" heißt der Kurzfilm.

Und die Politik? Sie ist zwar nur in den Filmen zu Demonstrationen selbst das Thema, doch auch da als etwas, das von den Wünschen und Handlungen des einzelnen abhängt. Die "derzeitige politische Lage" können wir, wie die Produzenten hoffen, anhand von "Back to Politics" wohl nicht einschätzen. Aber uns fragen, was eigentlich am Politischen alltäglich ist - oder am Alltag politisch.

"Back to Politics: Keine politischen Filme machen - Filme politisch machen"; Regie: Christoph Schlingensief, David Sieveking, Rebecca R. Rojer (u.a.); Neue Visionen Filmverleih, 148 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; erscheint am 5.8.2011; 15,99 Euro

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