"Kein Gesicht ist faszinierender, als das eines schöpferischen Menschen", soll Gisèle Freund gesagt haben. Und so hielt sie sie mit ihrer Kamera fest, die großen Persönlichkeiten: Simone de
Beauvoir, Walter Benjamin, James Joyce, Anna Seghers, Virginia Woolf und Marcel Duchamp, um nur einige zu nennen. Zu sehen sind sie auf beeindruckenden Aufnahmen, die von großer Vertrautheit und
Sensibilität der Fotografin zeugen. Denn diese betrachtete sich lediglich als eine Art "Übersetzerin", die hinter das Bild zurücktreten wollte.
Klassiker
Geboren ist die Künstlerin, die sich selbst nicht als solche sehen wollte, 1908 in Berlin. Sie studierte am Frankfurter Institut für Sozialforschung bevor sie 1933 nach Paris emigrieren
musste. Mit im Gepäck hatte die 25-Jährige ihre Leica - ein Geschenk des Vaters. Diese Kamera sollte Gisèle Freund, das einzige weibliche Gründungsmitglied von "Magnum Photos", in den 70er Jahren
des vergangen Jahrhunderts berühmt machen.
Viele der einfühlsamen Porträtaufnahmen und außergewöhnlichen Fotoreportagen die sie in Frankreich und später in Südamerika anfertigte, gehören heute zu den Klassikern der Fotografie. Ihre
Farbaufnahmen sind häufig die einzig existierenden Farbbilder der berühmten Porträtierten. Zu Freunds bedeutendem Werk gehören aber auch ihre Texte zur Geschichte und zur Theorie des Mediums
Fotografie.
Bis zum 18. Januar 2009 sind die Fotografien, die allesamt aus der Sammlung Marita Ruiter, Galerie Clairefontaine Luxembourg stammen, im Willy-Brandt-Haus zu sehen. Denn dieses sei nicht
nur ein Haus der Politik, sondern auch ein Haus der Kunst, wie Franz Müntefering anlässlich der Ausstellungseröffnung betonte. Und nicht zuletzt sei die Ausstellung auch ein wichtiger Beitrag
gegen das Vergessen der Nazi-Vergangenheit, unterstrich der SPD-Chef.
"Gisèle Freund. Reportagen und Porträts zum 100. Geburtstag". Willy-Brandt-Haus Berlin. 29. Oktober 2008 bis 18. Januar 2009. Dienstag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr. Eintritt frei, Ausweis
erforderlich.
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.