Kultur

Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit

von Katarina Günther · 8. Dezember 2009
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Im Rechtsstaat ist es erforderlich, Freiheit und Sicherheit in ein verhältnismäßiges Gleichgewicht zu bringen. Fiktive Katastrophenszenarien wie die ticking bomb-Situation (Terrorist, der eine Atombombe in der Stadt deponiert) lassen uns an unhinterfragten rechtsstaatlichen Grenzen, wie dem Folterverbot, zweifeln. Selbstverständlich ist eine gewisse Besorgnis verständlich, aber es ist extrem gefährlich nur aufgrund einer undefinierbaren Terrorangst von unseren hohen rechtsstaatlichen Prinzipien abzurücken. Natürlich muss der Rechtsstaat auch für einen Präventionsstaat sorgen. Dennoch sollten Grundrechte nicht für ein vermeintliches Sicherheitsinteresse geopfert werden. Die Informationsgier und das Kontrollinteresse des Staates lassen den Kernbereich der Privatsphäre und die Menschenwürde in den Hintergrund treten. Aber sogar schwerwiegende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in diese Bereiche nicht rechtfertigen.

Gesetze müssen überzeugen
Oft sind selbst die Politiker nicht von den Gesetzen überzeugt. Die Befristung der Anti-Terror-Gesetze auf fünf Jahre und die zurzeit anhängigen Klagen gegen das BKA-Gesetz beim Bundesverfassungsgericht zeugen von berechtigten Zweifeln. Mehrere Gesetze wurden vom Bundesverfassungsgericht sogar für komplett oder teilweise verfassungswidrig erklärt.

Lebte Schäuble Orwellsche Überwachungsfantasien aus? Waren seine Gegner naiv? Wie weit darf der Staat gehen, um seine Bürger zu schützen?

Diesen Fragen gehen Stefan Huster, Professor für Öffentliches Recht an der Ruhr-Universität Bochum, und Karsten Rudolph, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag und Lehrbeauftragter für Geschichtswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, in ihrem neuen Buch nach.


Es werden vier Komplexe in theoretischer und praktischer Hinsicht untersucht:
1. Sicherheit und Sicherheitsdenken im Zeitalter des neuen Terrorismus
2. Die Aufgabe der Rechtsstaates im Kampf gegen den Terrorismus
3. Freiheit, Sicherheit und Politik
4. Wie viel Wissen braucht der Staat

Politiker und Wissenschaftler verschiedener Richtungen äußern sich zu den Hauptthemen. Ohne die Gefahr des Terrorismus mit dem neuen veränderten Täterprofil und der erschwerten Risikobewertung zu verneinen, machen die Autoren deutlich, dass Achtsamkeit geboten ist, um im "Kampf gegen den Terrorismus nicht auf sich selbst zu schießen". Zudem warnen sie davor, für ein erfundenes Grundrecht auf innere Sicherheit die Menschenwürde, die Unverletzlichkeit der Wohnung und die Pressefreiheit aufs Spiel zu setzen oder zu sehr einzuschränken. Der Zweck kann nicht jedes Mittel rechtfertigen. Kritisiert werden außerdem die Kurzsichtigkeit der Politik, die Unangemessenheit, mangelnde Effektivität und Fundierung der Gesetze und die Bereitschaft einiger Bürger, ihre Grundrechte kampflos preiszugeben.

Unter den berühmten Mitautoren befinden sich unter anderem Gerhart Baum und Burkhard Hirsch, die erfolgreich gegen den Abschuss von Passagiermaschinen klagten, der ehemalige
BND-Chef August Hanning, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,Wolfgang Bosbach und Terrorismusexperte Ulrich Schneckener.

"Die Freiheit verteidigt man am besten, indem man sie lebt." Gerhart Baum

Stefan Huster, Karsten Rudolph (Hg.): Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, edition suhrkamp 2009, 229 Seiten, 10,00 Euro, ISBN 978-3-10-013911-5

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Autor*in
Katarina Günther

ist promovierte Rechtswissenschaftlerin und Journalistin. Ihre Schwerpunkte sind juristische und steuerrechtliche Themen.

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