Betsy schmeißt ihren Job bei einer mittelmäßigen Boulevardzeitung hin und beschließt, endlich frei zu sein. Frei von den Nachstellungen ihres Chefs Alan. Frei von der Vorstellung, nie eine
feste Bindung eingehen zu können - denn gerade hat sie David kennen gelernt, den Mann ihrer Träume, dem sie nach Guatemala folgen will. Frei von den Gedanken an den toten Vater Sam, der wegen
"unamerikanischen Verhaltens" verfolgt worden und mehrfach im Gefängnis gelandet war, obwohl er doch allenfalls mit den Kommunisten und Gewerkschaftern sympathisierte, und dessen Idealen sie wohl
niemals entsprechen würde. Frei auch von den ständigen Vorwürfen der Mutter Marie, die ob der FBI-Überwachung der Familie verrückt geworden war.
Doch dann erfährt Betsy, dass der tot geglaubte Daddy gar nicht begraben liegt, wo er es eigentlich sein sollte. Sie forscht nach. Kann es sein, dass er noch lebt? Sie muss Gewissheit
erlangen. Auf des Vaters Spuren reist sie quer durch Amerika, von Miami bis Santa Monica. Sie trifft sich mit Verwandten und Bekannten: ihrem Bruder Tommy, Tante Elsie und Cousin Arthur, Oma Alice,
Doktor Horowitz, der ihrem Vater einst das Leben rettete, Vaters Bekannte Doreena Jones und Mutters Freundin Rosie D. Amato.
Nur mühsam gelingt es ihr das Puzzle dessen, was sie erfährt, zu einem Bild zusammenzusetzen. Auch, weil nicht alle bereit sind, ihr zu sagen, was sie wissen. Was verschweigen sie und warum?
Betsy muss die Geschichte ihres Vaters selbst herausfinden.
Während ihrer Reise erfährt sie nicht nur viel über sich, ihre Angst, den idealistischen Träumen ihres Vaters nicht gerecht zu werden, und ihre Sehnsucht, den Vater entweder in den Arm zu
schließen oder an seinem Grab Abschied zu nehmen. Sie lernt auch den Vater viel näher kennen, als ihr manchmal lieb ist. Und sie studiert Amerikas dunkle politische Geschichte, als engagierte linke
Familien diffamiert, geächtet, ausgegrenzt wurden, indem man ihnen Dinge unterstellte, die sie nie begangen hatten. Eine Geschichte, die noch lange nicht zu Ende ist.
Der Autorin Nora Eisenberg gelingt es, dem Leser den exentrischen Clan der Familie Vogel sehr nahe zu bringen. Dessen Geschichte steckt voller hintersinnigem Humor, ohne den seine Mitglieder
die wahnsinnige Verfolgung gepaart mit stetiger Angst gar nicht hätten ertragen können - allen voran die Journalistin Betsy Rose Vogel.
Dagmar Günther
Nora Eisenberg: Unamerikanische Umtriebe, Parthas Verlag, Berlin 2006, 247 Seiten, 24 Euro ISBN 978-3-86601-171-7
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