Kultur

Der Irrsinn des Menschlichen

von Die Redaktion · 10. April 2008
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Im Gespräch mit Jörg Plath, sinnierte der bulgarische Schriftsteller Georgi Gospodinov über Berlin, Bulgarien und die Postmoderne. Mit Witz und Charme begeisterte er das Publikum. Als Gast des Berliner Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) in Berlin verbringt er dieses Jahr in der Metropole an der Spree. "Berlin ist eine Stadt mit sehr vielen Facetten. Wäre Berlin ein Roman, so wäre es einer mit sehr vielen Kapiteln aus unterschiedlichen Genres. Diesen Roman könnte man nicht in einem Zug durch lesen", erklärte Georgi Gospodinov. Berlin sei voll von kleinen Geschichten. Es gäbe viele warme Orte, türkische Märkte, Friedhöfe.

Seinen Aufenthalt in der Hauptstadt hat er nicht zuletzt dem Erfolg seines jüngsten Romas "Natürlicher Roman" zu verdanken. Dieser verhalf dem schriftstellerischem Talent, Georgi Gospodinov ist außerdem noch Lyriker, Drehbuch- und Bühnenautor, zu internationaler Bekanntheit. Bei so vielen Berufsbezeichnungen wird der Schriftsteller ganz verlegen. "Eigentlich bin ich ein ziemlich fauler Typ", räumte der Autor ein, "aber da mir nichts anderes so leicht fällt wie die Schriftstellerei, war ich so schlau, mich nur damit zu beschäftigen." In Bulgarien wäre die Schriftstellerei kein prestigebringender Beruf, deshalb nenne er sich selbst lieber Redakteur oder Journalist, dies klänge mehr nach Arbeit.

Auslöschen und neu formieren

Der "natürliche Roman" erzählt die Geschichte eines Verfalls. Er handelt von der Selbstauslöschung. Alles Organische ist ein Prozess des Natürlichen - deshalb der Titel seines Werks. Der Ich-Erzähler erfährt von der Schwangerschaft seiner Frau, doch er ist nicht der Vater. Er beschließt, einen Roman zu schreiben, beginnt diesen immer wieder neu, verirrt sich im Schreiben. Er schweift ab, denkt über die Form seines Romans, über Botanik, Toiletten, Fliegen und Quentin Terentino nach.

Das Buch vereinigt die unterschiedlichsten Sujets zu einem Konglomerat der Gattungen. Der Verfall vollzieht sich nicht nur auf inhaltlicher Ebene. Die Kapitel lösen sich auf, gehen ineinander über, formieren sich neu. Herausgekommen sind 50 Kurzkapitel. Der Roman, in den 90er Jahren geschrieben, ist eine Homage an die Postmoderne. "In den 90er Jahren ist der Buchhandel in Bulgarien nahezu zusammengebrochen", betonte Georgi Gospodinov. Dies sei auch auf den Zusammenbruch des Ostblocks zurückzuführen. Der Autor begeistere sich trotzdem für die vergangenen Jahre: "Es war eine bunte Zeit, ein wichtiges Jahrzehnt." Für das jetzige Jahrzehnt gäbe es keinen Namen. Das spräche doch Bände.

Geogi Gospodinov: Natürlicher Roman, Literaturverlag Droschl, Graz 2007, 19 Euro, ISBN: 13 9783854207283.

Anke Schoen

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