vorwärts-online: Können Journalisten, speziell Frauen im Irak frei Arbeiten?
Susanne Fischer: Nein. Seit dem Einmarsch der Amerikaner im Jahr 2003 sind im Irak mehr Journalisten ums Leben gekommen, als in zwanzig Jahren Vietnamkrieg. Das größte Problem für die
Arbeit von Journalisten ist nach wie vor die schlechte Sicherheitslage. Es gibt irakische Kollegen, die verraten nicht einmal ihrer Mutter, dass sie als Journalisten arbeiten. Wenn man aus Furcht
um das eigene Leben nicht dahin gehen kann wo man will, kann man als Journalist natürlich nicht frei arbeiten.
In der Presselandschaft hat es seit Ende der Diktatur von Saddam Hussein zwar Fortschritte gegeben, aber sie ist bei weitem noch nicht mit der unseren vergleichbar.
Auf welche Schwierigkeiten sind sie bei der Journalistenausbildung im Irak gestoßen?
Die Erfahrungen durch jahrzehntelange Diktatur ohne freie Medien sind nach wie vor zu spüren, obwohl wir nur junge Journalisten ausbilden. So etwas wie eine journalistische Forschheit
bildet sich nur langsam heraus. Auch haben junge irakische Kollegen, kaum journalistische Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Das liegt daran, dass sie so lange keinen Zugang zu
unabhängigen Medien hatten.
Es gibt auch immer wieder Versuche seitens des Militärs oder der Politik, die Journalisten zu im Land zu gängeln.
Welchen Einfluss hat die Religion auf die Medien im Land?
Die Religion hat einen großen Einfluss auf das, was in Zeitungen oder Fernsehen berichtet wird. Mit den zunehmenden religiösen Spannungen nimmt dieser Einfluss noch zu. In der
Medienlandschaft spiegeln sich die religiösen Konfliktlinien wieder. So gibt es Zeitungen, die nur von Schiiten gelesen werden, Radiosender die nur von Sunniten gehört werden.
Wie sehen sie die Zukunft des Landes?
Sehr düster. Ich könnte mir vorstellen, dass das Land auf die Dauer in drei Teile zerbricht. Dieser Prozess wird allerdings nicht friedlich ablaufen. In vielen Teilen des Landes, außer im
kurdischen Norden, herrscht Anarchie.
Die große Frage ist derzeit, welche Auswirkungen der Abzug der Amerikaner hätte. Aber darauf hat niemand eine Antwort.
Interview: Karsten Wiedemann
Susanne Fischer, Meine Frauen-Wg im Irak. Oder die Villa am rande des Wahnsinns, Piper Verlag, München 2006, 256 Seiten, EUR(D) 17,90, ISBN 3-89029-325-5
link www.piper-verlag.de/link
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