Kultur

In der Gegenwart angekommen

von Harald Baumann-Hasske · 9. Januar 2009
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In der Tat - zu Zeiten der Regierung Kohl war viel liegen geblieben. Schon das Inhaltsverzeichnis dieses Büchleins liest sich denn auch wie das Reformprogramm nicht von 10 Jahren, sondern von 30 Jahren Rechtspolitik - gemessen an dem, was vorher war bzw. nachgeholt werden musste. Hertha Däubler-Gmelin und Brigitte Zypries haben einiges geschafft. Die Rechtspolitik ist wieder in der Gegenwart angekommen, sie vollzieht nicht nur nach, sondern gestaltet die Gesellschaft. Sie berücksichtigt die aktuellen Formen der Kommunikation, die Fortentwicklung des Zusammenlebens, die internationale, besonders die europäische Dimension von Recht und Justiz. Die Politik gibt Impulse durch Recht.

Gibt es Kritik?

Dieter Grimm spricht vom Informationshunger des Staates und mahnt die Freiheitsrechte an, die Brigitte Zypries im Beitrag zuvor in Balance mit den Sicherheitsinteressen gesehen hat. Ob das beim BKA-Gesetz und der enthaltenen online-Durchsuchung gelungen ist, darüber gehen in diesen Tagen die Meinungen der Fachwelt auseinander. Auch die ASJ ist anderer Meinung.

Rolf Knieper erkennt eine erhöhte Akzeptanz für den sozialen Rechtsstaat auf internationaler Ebene - offensichtlich schon vor Ausbruch der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise. Über corporate governance, Anlegerschutz und den Schutz von Urhebern und Verbrauchern soll das Vertrauen in die wirtschaftlichen Abläufe gestärkt werden. Der ethisch wichtige Standpunkt vieler Menschen zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht wird von Joachim Stünker nachvollziehbar geschildert.

Fehlt etwas?
Justizpolitisch kaum etwas, sieht man davon ab, dass die Entwicklung der Juristenausbildung ausgeblendet bleibt - sie ist allerdings Ländersache. Aber die versuchten und vollendeten Änderungen der Verfassung werden nicht angesprochen. Weder die Neuordnung der Staatsorganisation in der ersten Föderalismusreform, noch die Versuche des Koalitionspartners, die Grenzen zwischen Polizei und Armee durch den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu verwischen, finden Erwähnung. Vielleicht ist da vieles noch zu stark in der Diskussion (oder zu schnell schon wieder draußen), als dass man darüber Bilanz ziehen könnte.

Insgesamt ist der Band lesenswert, besonders dann, wenn man das Thema nicht jeden Tag verfolgt und erfahren will, was sozialdemokratische Rechtspolitik in Regierungsverantwortung gebracht hat. Vielleicht hätte mancher Beitrag etwas kritischer sein dürfen. So werden große Leistungen wie die Reform des Schuldrechts, des Kindschaftsrechts, der ZPO, des Opferschutzes, des Urheberrechts ins Gedächtnis gerufen. Es wird deutlich gemacht, dass und wie gute Rechtspolitik den Rahmen schafft, in dem gesellschaftlicher Fortschritt sich entwickeln kann, wie ihre Abwesenheit auch die Kreativität einer Gesellschaft behindert hatte. Rechtspolitik muss nicht modern sein - aber auf der Höhe der Zeit!

Harald Baumann-Hasske
Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen


Brigitte Zypries (Hrsg.), Die Renaissance der Rechtspolitik, Zehn Jahre für den sozialen Rechtsstaat, C.H. Beck, München 2008, 203 Seiten, 38 Euro, ISBN 978-3-406-58275-2

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