Im November 2005 deckte der Berliner Journalist Andreas Förster auf, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst BND über Jahre im Inland einen Publizisten bespitzelt hat. Was er nicht ahnte: Der Dienst hatte auch auf ihn selbst einen Mann angesetzt, einen sogenannten Nachrichtenhändler, der ihn ausforschen sollte. Der Skandal war perfekt.
Kungeln mit dem Geheimdienst
Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKGr), das die Geheimdienste kontrollieren soll, beauftragte den ehemaligen BGH-Richter Gerhard Schäfer, ein Gutachten über die Journalistenbespitzelungen anzufertigen. Das Gutachten enthüllte, dass der BND jahrelang deutsche Journalisten rechtswidrig ausforschen ließ - mit Hilfe willfähriger anderer Journalisten. So kam der BND zu einer neuen Affäre, der Journalistenaffäre.
Der Enthüllung folgte ein Machtkampf zwischen zwei Funktionseliten, von denen die eine durch öffentliches, die andere durch geheimes Wissen an der Macht teilnimmt. Viele Medienschaffende kungel(te)n gern mit einem Geheimdienst, wenn sie dafür exklusiv bedient werden. Da wurde fleißig mit den Agenten getratscht und spekuliert, wer wohl die Quellen der Konkurrenten seien.
Journalisten, die zu Wölfen werden
Dabei allerdings fielen die Journalisten ihrer eigenen Eitelkeit zum Opfer. Sie wollten nicht wahrhaben, dass ein Geheimdienst sie erst verführt und dann ausgenutzt hat. Es kam zu einem gewaltigen Streit auf den öffentlichen Bühnen des Feuilletons, auf denen die Presse sich und ihre Akteure selbst skandalisierte.
Sind Medien nämlich betroffen, nutzen sie ihre ureigenste Waffe, die Sprache, um ihre Gegner zu vernichten. Und wenn das mal nicht Politiker oder Konzernlenker, sondern die lieben Kollegen sind, werden die Journalisten zu Wölfen, die mit einer Härte vorgehen, die den Atem rauben kann.
Das ist genau dann gerechtfertigt, wenn der Kern der freien Presse berührt wird: die Aufklärung der Bürger. Darum hat der investigative Journalismus, dem wir so manche Enthüllung verdanken, alles zu verlieren, wenn herauskommt, dass er mit genau jenen Informationshandel betreibt, die er eigentlich überwachen und kontrollieren soll.
Alexander Linden ist der Autor der Studie "Die Guten, die Bösen und die Eitlen. Wie der BND die Journalisten verführte. Eine Kritische Diskursanalyse" , Tectum Verlag, 2010, 478 Seiten, 29,90 Euro.
Tectum Verlag, 2010, 478 Seiten,
ISBN 978-3-8288-2454-6