In diesem Bücherfrühling zeichnet sich eine Trend ab: Junge Schriftsteller mit Migrationshintergrund melden sich zu Wort, machen sich Luft, stellen klar. Anlass ist die Debatte, die Thilo Sarrazin losgetreten hat.
Die Schriftstellerin Lena Gorelik, 1981 in Sankt Petersbug geboren, legt das Buch „Sie können aber gut Deutsch!“ vor. Gegen Sarrazins Konzept alles mit – fragwürdigen – Statistiken zu belegen, setzt Gorelik das Erzählende. Auf sehr persönliche Weise schreibt die Tochter russisch-jüdischer Eltern, die seit 1992 in Deutschland lebt, von ihren Alltagserfahrungen und von denen anderer Menschen mit Migrationshintergrund. Das Besondere: Sie schlägt einen bissigen, ironischen, bisweilen sarkastischen Ton an. In einer assoziative Art nähert sie sich Themen an – trotzdem verliert man nie den roten Faden. Es macht Spaß das Buch zu lesen. Gleichzeitig gelingt es Gorelik darzustellen wie es sich anfühlt ein Migrantenkind zu sein.
Von Akzeptanz und annehmen
Ihr Ausgangspunkt ist ein Wir-Deutschland, eines das das Gemeinsame betont, nicht das Trennende „Wir“ und „Ihr“. Dazu gehöre das, was die Autorin als naives Konstrukt der Akzeptanz bezeichnet. Sie schreibt: „Akzeptanz bedeutet, dass man den anderen nicht mehr duldet, sondern annimmt.“ Dabei verweist sie auf die Lesben-und-Schwulen-Bewegung, die diesen einfachen Gedanken kenne und alles andere als naiv sei.
Gorelik beschreibt in ihrem Buch auch wie bildungsferne Schüler mit Migrationshintergrund durch Mentoring-Programme ganz unspektakulär unterstützt werden können. Von Sozial-Romantik ist dennoch keine Spur. Die Autorin stellt auch eine Integrationsverweigerin vor, die es ablehnt Deutsch zu lernen. Ein Sprachkurs wurde für sie organisiert und finanziert. Doch sie weigerte sich, daran teilzunehmen. Dieses Abkapseln, verurteilt Gorelik: „Wer in diesem Land lebt, muss ein gewisses Fünkchen Interesse daran mitbringen. Eine Bereitschaft, es samt seiner Menschen kennenzulernen.“ Gleichzeitig unterstreicht die Autorin, dass Integrationsverweigerer zwar in jeder ethnischen Gruppe zu finden seien, allerdings die absolute Minderheit darstellen.
Leitbild Demokratie
Ehrliche Neugierde, gegenseitiges Aufeinanderzugehen und politische Teilhabe sind für Gorelik weitere Schlüsselbegriffe für gelingende Integration. Wenn überhaupt eine Leitkultur, dann sieht sie sie in der Demokratie.
Goreliks energisches Buch ist das heilsame Gegengift zu Sarrazins Buch. Empfohlen für jeden im Wir-Deutschland.
Lena Gorelik: „Sie können aber gut Deutsch!“ Warum ich nicht mehr dankbar sein will, dass ich hier leben darf, und Toleranz nicht weiterhilft. Pantheon Verlag, München 2012. 240 Seiten. 14,99 Euro, ISBN 978-3-570-55131-8