Leonard Schilf ist Vorsitzender "einer großen Partei" (dass es sich dabei um die SPD handelt, ist unverkennbar) und hat eine Affäre mit der jungen Abgeordneten Anna Tauert. Diese ist frisch
in den Bundestag eingezogen und droht, gegen das Zahnersatzgesetz zu stimmen, das Fred, der Bundeskanzler und Freund Schilfs, zur Rettung des deutschen Sozialsystems initiiert hat.
Aufdecken soll das Verhältnis der Privatdetektiv Arthur Koenen, der von Schilfs Ehefrau beauftragt wurde. Durch die Augen des Detektivs erlebt der Leser die Geschichte und erfährt von ihm
mehr und mehr über das Verhältnis der beiden Politiker. Und als am Ende alles klar scheint, lässt er ihn entdecken, dass das Verhältnis "nicht die ganze Wahrheit" in diesem Roman ist.
Dirk Kurbjuweit, Leiter des Hauptstadtbüros des Spiegel, nimmt den Leser mit ins politische Berlin. Sein Roman spielt im und um das Regierungsviertel, das der Autor detailliert beschreibt.
Dabei rückt die eigentliche Handlung häufig in den Hintergrund. Viel interessanter sind die Einblicke in die Psyche von Spitzenpolitikern die sich dem Leser offenbaren. Parallelen zur Realität der
"Berliner Republik" sind nicht zufällig, sondern wirken äußerst erwünscht. Der Kanzler weist Züge von Gerhard Schröder auf, die Diskussion um das Zahnersatzgesetzt ähnelt den Debatten zu Hartz IV.
Einige Ungereimtheiten erlaubt sich der Autor. So beschreibt er ein Glas als leer und lässt seine Romanfigur einige Sätze später erneut daraus trinken. Auch siezt Leonard Schilf auf dem
Parteitag sein Zuhörer, die er kurz zuvor mit "liebe Genossen" begrüßt hat.
Doch hinterlassen diese Details nur einen geringen Beigeschmack und trüben das Lesevergnügen kaum. Jedem, der auf unterhaltsame Weise hinter die Kulissen der deutschen Politik schauen möchte,
ist dieses Buch wärmsten zu empfehlen.
Dirk Kurbjuweit: Nicht die ganze Wahrheit, Nagel & Kimche 2008, ISBN 978-3312004102, 19,90 Euro
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