Moderator Jörg Hafkemeyer hatte nicht mehr viel zu melden, als am Sonntagnachmittag Jutta Allmendinger und Ulla Schmidt am vorwärts-Stand zusammenkamen, um über die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie zu sprechen. Die Diskussion der beiden Frauen war so engagiert, dass sie den Mann in ihrer Mitte nur noch selten zur Wort kommen ließen. Anlass für die hitzige Debatte waren die
Forschungsergebnisse aus Allmendingers neuen Buch "Verschenkte Potenziale?".
Die Soziologie-Professorin hat darin die Lebensläufe von nicht erwerbstätigen Frauen untersucht und kommt zu einem erschreckenden Ergebnis: 5,6 Millionen Frauen zwischen 29 und 59 Jahren -
rund 28 Prozent - arbeiten nicht, obwohl sie gerne möchten. Heute seien Frauen genauso gut ausgebildet und motiviert wie Männer, dennoch bestünden allzu oft die alten Rollenmuster: Sind erstmal
Kinder da, gehen die Väter arbeiten und die Mütter bleiben zu Hause. Frauen stehen weiterhin vor dem Dilemma, Familie und Beruf unter einen Hut bekommen zu müssen.
5,6 Millionen gut ausgebildeter Frauen arbeiten nicht - obwohl sie wollen
Ulla Schmidt teilt Allmendingers Meinung: "Kinderbetreuung ist das A und O." Am vorwärts-Stand erzählen Schmidt und Allmendinger, wie sie es persönlich geschafft haben, mit Kindern
studieren und arbeiten zu können. Während die SPD-Politikerin eine Mutter hatte, die sich um ihre Tochter kümmerte, wanderte die Soziologin für einige Zeit in die USA aus. Dort seien
wissenschaftliches Arbeiten und Kinder miteinander vereinbar. Ulla Schmidt gibt offen zu: "Ohne meine Mutter hätte ich das nicht geschafft." Und sie kommt zu dem Schluss: "Was zu meiner Zeit
meine Mutter für mich war, muss heute der Staat übernehmen." Die Kinder-Betreuung müsse gesetzlich besser geregelt werden.
Frauen in der Teilzeitfalle
Jutta Allmendinger appelliert auch für eine neue Unternehmenskultur: "Wir haben in Deutschland immer noch eine Anwesenheitskultur in den Betrieben und weinen der Normalarbeitsbiografie
große Tränen nach." Für viele Frauen stelle gerade die Teilzeitarbeit eine Falle dar: Selten gelinge der weitere Aufstieg und Weiterbildungsmöglichkeiten würden oft nicht angeboten. Frauen mit
Führungsverantwortung gebe es kaum.
Allmendinger verdeutlicht den Widerspruch: "Heute ist es selbstverständlich, die Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Die Familie mit an den Arbeitsplatz zu nehmen, das ist noch viel zu
selten." Es muss sich noch vieles ändern. Da sind sich die beiden Frauen einig. Denn: Langfristig könne es sich Deutschland schon allein aus demografischen Gründen nicht leisten, auf die
Potenziale von gut ausgebildeten Frauen zu verzichten.