Mal ist es die Rinderseuche BSE, die den Verbrauchern den Appetit verdirbt, mal das Gammelfleisch vom Discounter. "Wenn wir zu Tisch sitzen, sollten wir uns nicht guten Appetit wünschen,
sondern viel Glück", sagt der französische Agrarökologe Pierre Rabhi. Filmemacherin Coline Serreau hat ihn und andere Öko-Experten rund um den Globus befragt. Ob in Indien, Brasilien, der Ukraine
oder in Frankreich, überall klagen Landwirte ihr das gleiche Leid: die Industrielle Landwirtschaft zwingt die Bauern in die Abhängigkeit von den Saatgutherstellern, sie zerstört die Böden und
vernichtet am Ende die Existenz unzähliger Kleinbauern.
Die globale Superfrucht
Der Mechanismus ist immer der gleiche: zuerst wird das scheinbar überlegene genetisch veränderte Saatgut angepriesen. Die Bauern kaufen und tatsächlich steigen die Erträge. Dann plötzlich
wird aber klar: die in Monokultur angebaute Tomatenstaude ist anfällig gegen Schädlinge. Wo die alte Tomate noch Abwehrstoffe entwickelt hatte, um regionalen Schädlinge abzuhalten, braucht die
neue, globale Superfrucht Pestizide. Die werden fleißig ausgebracht.
Der Bauern zahlt ein zweites Mal. Seine Böden sind mittlerweile völlig ausgelaugt. Also entstehen weitere Kosten: für den Dünger. Am Ende zeigt sich dann: seine neuen Pflanzen sind weniger
resistent gegen das Wetter, gegen späte Winter und eisigen Wind. Da hilft nur eins: künstlich beheizen. Wenn am Ende Bilanz gezogen wird, ist der Anbau mit manipuliertem Saatgut nicht nur in
ökologischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine Katastrophe. Allein die Saatguthersteller mit ihren patentierten Zuchtpflanzen reiben sich die Hände.
Die Saatgut-Banken
Filme, die uns das erklärt haben, gab es schon. Erwin Wagenbachs "We feed the world'" ist einer davon. Coline Serreau aber genügt das nicht. Sie will Alternativen aufzeigen. Und tatsächlich
hat sie sehr eindrucksvolle gefunden.
Da gibt es etwa die französische Einrichtung "Kokopelli", die altes Saatgut sammelt und verbreitet. Die Bauern bekommen gratis natürliche Saat, wenn sie sich verpflichten später vom Ertrag
wieder Saatgut zu gewinnen und an Kokopelli zurückzuzahlen. So verbreiten sich fast ausgestorbene Nutzpflanzen erneut, argwöhnisch beäugt von den geprellten Samenmonopolisten und den regelwütigen
EU-Bürokraten, die das uralte Saatgut auf keiner ihrer Positiv-Listen wieder finden. Saatgut-schenken wird so zum subversiven Akt.
Der "Held der Ukraine"
Rebellisch gibt sich auch Antoniets Semen Swiridonowitsch. Der Ukrainer betreibt seit 1978 eine Bio-Kolchose. 8000 Hektar hat das von ihm bewirtschaftete Areal auf dem - Swiridonowitsch
schwört - seit dreißig Jahren nicht mehr gepflügt wurde. Gedüngt wird mit Stallmist von Schweinen und Pferden in großen, hellen Ställen, chemische Pestizide sind überflüssig. Nach seinen Methoden
hat ihn schon damals keiner gefragt. Hauptsache, er hat sein Plansoll erfüllt. Und tatsächlich hat er es oft genug übererfüllt.
Zum "Helden der Ukraine" haben sie ihn dafür ernannt, was Swiridonowitsch sichtlich stolz macht. Eindrucksvoll sieht das aus, wenn er die körnige Erde von seinen Feldern in die Hand nimmt und
zwischen den Fingern zerreibt, während die Erde vom Nachbargrundstück aus harten Brocken besteht, vom Pflug zu Schollen gepresst, darin ganze Strohbündel vom letzten Jahr, die sich nicht zersetzt
haben. Hierher kommt kein Sauerstoff, hier gibt es keine Organismen. Die Erde ist unfruchtbar, erklärt der Öko-Bauer.
Der "Genozid an den Bauern"
Coline Serreaus Ausblick in eine schöne neue Bio-Welt beschäftigt sich zwar mit den Helden der Öko-Erneuerung, deprimierend ist er trotzdem. Auch in den Oasen der Andersartigkeit wird nur
gezetert. Wenn zwischen den Palmen Bananenstauden wachsen und Kühe grasen, ist das hübsch anzuschauen. Dass so eine Milliardenbevölkerung ernährt werden kann, mag aber der Kinozuschauer trotzdem
nicht so recht glauben. Genauso ungläubig staunt er, dass eine europäische Kuh dreimal so viel Agrarsubventionen bekommt, wie ein indischer Bauer verdient. Die alternative Landwirtschaft ist als
Wirtschaftsform unerwünscht. Industrie-Anbau wird massiv privilegiert.
Serreau leitet das historisch her. Nach dem Ersten Weltkrieg, so die Filmemacherin, habe die Industrie auf Massen von giftigen Chemikalien gesessen und habe die dann kurzerhand als Pestizid an
die Bauern abverkauft. Die Panzermechaniker seien zu Traktorenhändlern geworden und im Zweiten Weltkrieg habe man dann die Bauern selbst abgeschafft und ins Maschinengewehrfeuer laufen lassen.
Der behauptete "Genozid an den Bauern" ist dabei genauso überzogen wie Serreaus Aufruf, sich an das Wissen der Großmütter zu erinnern, wo doch die technisierte Landwirtschaft der Väter so
fehlgeschlagen sei. Nostalgische Feminismusanleihen klingen zwar romantisch, haben in dieser Dokumentation aber nichts zu suchen.
Der Weg von den Feldern zu den Tellern
Überhaupt macht Serreau es sich leicht. Gutes Essen, schlechtes Essen, das ist leicht sortiert. Die Französin hört zu einseitig den Aktivisten zu, sie überredet anstatt zu überzeugen. Es
sind einfache Bilder von groben Händen, die alternatives Saatgut in kleine Säckchen verpacken. Keine Küken, die über Fließbänder transportiert werden, keine riesigen Fangnetze oder gigantische
Tomatenplantagen.
Nur ein leidenschaftliches Plädoyer für eine emanzipierte Landwirtschaft, vorgetragen von Oppositionellen aus der ganzen Welt. Eine davon ist die Inderin Vandana Shiva. Die Physikerin sagt,
der "Weg von den Feldern zu den Tellern" sei gestört. Das ist allemal poetischer als das, was die meisten ihrer Kollegen vortragen. Am Ende meinen sie aber alle dasselbe: die Menschen müssen die
Kontrolle über ihre Ernährung zurückgewinnen. Schlüsselindustrien, das sind vielleicht nicht Automobil- und Maschinenbau. Das sind vielleicht die Industrien, die dafür sorgen, dass Menschen
gesund satt werden. Greenpeace empfiehlt "Good food, bad food", andere Umweltorganisationen haben den Film sogar mitfinanziert. Journalisten, sonst eher nölige Zeitgenossen, trotten für
gewöhnlich nach der Vorführung grummelnd aus dem Kino. Bei diesem Film war es anders. Bei diesem gab es nach der Münchener Pressevorführung kräftigen Applaus.
Good food, bad food - Anleitung für eine bessere Landwirtschaft, Regie: Coline Serreau, Frankreich 2010, 113 Minuten, Kinostart: 20.1. Mehr Informationen und ein Interview mit der Regisseurin Coline Serreau finden Sie unter www.goodfood-badfood.de.