„The Circle“: Naiver Blick auf die Abgründe der Netzwelt
Mae ist jung und neugierig. Doch einsame Kajaktouren in der Bucht von San Francisco sind die einzigen Abenteuer in ihrem Leben, das vor allem aus einem öden Callcenter-Job und dem Nesthockeralltag bei Mom und Dad besteht. Das plötzliche Jobangebot beim Internet-Riesen „The Circle“ erscheint ihr Eingangstor für eine bessere Zukunft. Und eine Herausforderung: Von Mae wird nicht nur erwartetet, gute Arbeit im Kundendienst abzuliefern, sondern auch Teil der „Community“ zu werden und alles von sich auf allen verfügbaren Kanälen preiszugeben. Allein die sonnendurchfluteten, hangargroßen Firmengebäude (gedreht wurde unter anderem im Best Design Museum im kalifornischen Pasadena) und die gläsernen Büros mitsamt der weitläufigen Campusanlage stehen für das genaue Gegenteil ihres alten Lebens. Dieses streift sie ab und lässt sich von dem Ambiente einer gespenstischen Fröhlichkeit einfangen.
Plötzlicher Bewusstseinswandel
Für die 24-Jährige bahnt sich eine große Karriere an. Die allgemeine Euphorie wird vor allem von der neuesten Geschäftsidee befeuert: Überall im Land werden murmelartige Kameras installiert, deren Bilder live im Netz übertragen werden. Und Mae wird zum Superstar der Kampagne in den Sozialen Netzwerken. Totale Transparenz oder totale Kontrolle? Einmal mehr stellt sich diese Frage beim Blick auf die neuesten technischen Errungenschaften dieser Zeit.
Doch der „Circle“ hat noch viel mehr vor. Die Unternehmensgründer wollen ganze Staaten übernehmen. Als es im Zuge des Kamerawahns zu einem tragischen Unglück kommt, setzt sich bei Mae erneut ein - für die „Circle“-Bosse indes überraschender - Bewusstseinswandel in Gang. Befördert wird dieser auch die Begegnung mit Ty, einem der Gründer des Unternehmens. Ty sieht sein Lebenswerk bedroht und ermutigt Mae zu handeln. Die schlägt die beiden Circle-Gurus, die bislang Transparenz von anderen forderten, ohne die selbst zu leben, am Ende mit ihren eigenen Waffen.
Zwischen Schaudern und Würgen
Sowohl auf visueller als auch auf erzählerischer Ebene bietet „The Circle“ reichlich Kritikpunkte. Zum Beispiel, dass die vielen dramaturgischen Eingriffe, bis hin zur tolldreisten Änderung des Endes der Geschichte, alles andere als ein überzeugendes Gesamtergebnis erzielt haben. Die filmische Adaption eines dystopischen Romans muss nicht zwangsläufig in bedrohlichen Farben und Motiven ersaufen, sollte wohl aber Beklemmung erzeugen. Letztere stellt sich vor allem dann ein, wenn Mae von ihren Vorgesetzten, dem Silicon-Valley-Klischee entsprechend stets locker drauf und lässig gekleidet, unvermittelt ins Kreuzverhör genommen wird. Bei diesen Gestalten, allen voran dem von Tom Hanks verkörperten charismatischen Geschäftsführer Eamon Bailey, weiß man nicht, ob es einen schaudert oder im Halse würgt.
Ansonsten wird die zukunftsoptimistische Fassade nur selten enttarnt. Die Kamera agiert meist genauso naiv wie Mae selbst. Auch die wiederholte Gegenüberstellung mit der „analogen“ Welt der Eltern zeitigt kaum Effekte. Dass selbst der zunehmende Gegensatz zwischen Mae und Bailey nur fragmentarisch abgebildet wird, wirft endgültig die Frage auf, mit welchem Ziel der 1978 geborene Regisseur und Co-Drehbuchautor ans Werk gegangen ist. Am Ende bleibt nur ein didaktisches Substrat: Hütet euch davor, euch selbst im Netz zu entblößen! Ob es für diese Warnung eines oberflächlichen Hollywood-Blockbusters bedarf, sei dahingestellt.
Info: „The Circle“ (USA 2017), ein Film von James Ponsoldt nach dem Roman von Dave Eggers, mit Emma Watson, Tom Hanks, John Boyega u.a., 105 Minuten
Ab sofort im Kino