Kultur

Bücher zu Weihnachten: Drei Geschenk-Tipps für Sozialdemokrat*innen

Fehlt noch das passende Geschenk zur Bescherung? Wie wäre es mit einem Buch? Über eins von diesen freuen sich Sozialdemokrat*innen bestimmt.

von Kai Doering · 22. Dezember 2023
Lesen zum Fest: Diese drei Bücher erfreuen Sozialdemokrat*innen zu Weihnachten.

Lesen zum Fest: Diese drei Bücher erfreuen Sozialdemokrat*innen zu Weihnachten.

Die Voraussetzungen für die „Zeitenwende“

„Bedingt abwehrbereit“ schrieb der „Spiegel“ im Oktober 1962. Das Nachrichtenmagazin wies in dem Text dem atomaren Verteidigungskonzept der Bundesregierung unter Konrad Adenauer erhebliche Mängel nach. Die Verhaftung des Chefredakteurs Rudolf Augstein und einiger Mitstreiter war die Folge sowie – nach erheblichen Protesten in der Bevölkerung – die Entlassung von Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß.

Mit ähnlichen Konsequenzen hat Carlo Masala nicht zu rechnen. Zwar trägt sein Buch denselben Titel wie der Spiegel-Artikel, doch die Schwächen, die der Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München darin anspricht, sind allgemein bekannt: Die Bundeswehr ist zu schlecht ausgestattet für die Anforderungen, die an sie gestellt werden. Vieles funktioniert nicht oder nur schleppend. Ihrer Aufgabe der Landesverteidigung könnte die deutsche Armee so nicht nachkommen.

Am interessantesten an dem Gesprächsband ist dabei Masalas gesellschaftspolitischer Ansatz. „Wir müssen den Begriff der Zeitenwende breiter denken als nur in Bezug auf die Ausrüstung der Bundeswehr“, fordert er. „Wenn sich das Verhältnis von Politik und Gesellschaft zur militärischen Macht nicht grundlegend ändert, werden wir in sechs bis acht Jahren vielleicht über eine voll ausgestattete Bundeswehr verfügen, aber ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie und wo sie eingesetzt werden soll.“ Ein nachdenkenswerter Ansatz.

Carlo Masala: Bedingt abwehrbereit: Deutschlands Schwäche in der Zeitenwende, C.H. Beck 2023, 18 Euro, ISBN: 978-3406800399

 

Ein langer Blick zurück und ein kurzer nach vorn

Mit ihrer 160-jährigen Geschichte ist die SPD die mit Abstand älteste Partei Deutschlands. Zum runden Jubiläum haben die Historiker Peter Brandt und Detlef Lehnert es sich zur Aufgabe gemacht, eine „knappe und aktuelle Darstellung“ der Geschichte von den Anfängen als Arbeiterverein bis zur Bildung der ersten Ampel-Regierung auf Bundesebene zu verfassen.

Klar, dass auch „Eine kurze Geschichte der deutschen Sozialdemokratie“ nicht ohne sie Säulenheiligen wie Ferdinand Lassalle, August Bebel und Willy Brandt auskommt. So ist historisch Interessierten vieles, über das Brandt und Lehnert schreiben, bereits bekannt – ein Umstand, den die Autoren in ihrem Vorwort auch offensiv aufgreifen. „Es liegt in der Natur der Sache, insbesondere bei historisch orientierten Überblickstexten, dass sich weder Zitate und Daten/Fakten noch erwähnenswerte Personen oder dargelegte Zusammenhänge ändern“, räumen sie ein.

Das Gewinnende an Brandts und Lehnerts Buch ist aber, dass sie die wesentlichen Zusammenhänge gut verständlich auf den Punkt bringen und Leser*innen auch ohne großes Vorwissen dem Geschilderten folgen können. Zudem dürfte es keine Darstellung der SPD-Geschichte geben, die nahezu bis in die Gegenwart hineinreicht. Den großen Standartwerken wie dem von Susanne Miller und Heinrich Potthoff fehlen entscheidende Jahre, will man den aktuellen Zustand der SPD verstehen.

Und so scheuen sich Peter Brandt und Detlef Lehnert auch nicht, einen Ausblick in die Zukunft der SPD zu geben. „Will die Partei den fragilen Zuwachs von 2021 erhalten“, schreiben sie am Ende, „muss sie eine für die unteren und mittleren Sozialgruppen überzeugende Regierungspolitik betreiben sowie einen deutlich erkennbaren politischen ‚Markenkern‘ der SPD prägen.“

Peter Brandt, Detlef Lehnert: Eine kurze Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, Dietz-Verlag 2023, 20 Euro, ISBN 978-3-8012-0646-8

 

Das deutsche Watergate

Ein Regierungschef, der über Jahre mithilfe des Geheimdienstes die Führung der Oppositionspartei ausspionieren ließ. Eigentlich müsste ein solcher Vorgang beim Bekanntwerden eine Welle der Empörung und massive Konsequenzen auslösen. Beides jedoch blieb aus als der Historiker Klaus-Dietmar Henke im vergangenen Jahr sein zweibändiges Werk „Geheime Dienste“ vorlegte. Henke untersucht darin die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) in der Regierungszeit von Konrad Adenauer.

Fast am Rande kam darin der Umstand vor, dass Adenauer den deutschen Inlandsgeheimdienst systematisch dafür instrumentalisierte, mithilfe zweier Mitarbeiter den SPD-Parteivorstand auszuspionieren. So war der CDU-Kanzler stets bestens darüber informiert, was die Opposition plante, und konnte frühzeitig reagieren. Von einem „deutschen Watergate“ schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ im vergangenen Jahr in Anspielung an den Machtmissbrauch des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon, der 1972 das Hauptquartier der Demokraten im Hotel „Watergate“ in Washington abhören lassen wollte.

„Adenauers Watergate“ hat Henke so auch sein aktuelles Buch genannt, in dem er die Vorgänge rund um die Bespitzelung des SPD-Vorstands noch einmal genauer beschreibt – quasi als Auskopplung aus dem Gesamtwerk. Der Historiker beschreibt darin die Beweggründe Adenauers und der BND-Führung ebenso wie das Vorgehen der Zuträger. Scharf fällt deshalb auch sein Urteil aus. „Über Jahre hinweg“ habe Adenauer die Verfassung gebrochen „und die Grundregeln des demokratischen Wettbewerbs mit Füßen getreten“. Der öffentliche Aufschrei freilich bleibt bis heute aus.

Klaus-Dietmar Henke: Adenauers Watergate: Die Geheimoperation des BND gegen die SPD-Spitze, Ch. Links -Verlag, 25 Euro, ISBN 978-3962891992

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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2 Kommentare

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Sa., 23.12.2023 - 13:27

Permalink

„Will die Partei den fragilen Zuwachs von 2021 erhalten“, schreiben die Verfasser am Ende des Buches "Ein langer Blick zurück und ein kurzer nach vorn", „muss sie eine für die unteren und mittleren Sozialgruppen überzeugende Regierungspolitik betreiben sowie einen deutlich erkennbaren politischen ‚Markenkern‘ der SPD prägen.“

Diesen Satz sollten sich unsere Spitzenpolitikern täglich, insbesondere vor Kabinettssitzungen und Koalitionsrunden, vor Augen halten!

Wird dieser Grundsatz geschwächt oder sogar vergessen, wird die Gefahr, dass die Rechten weiter an Macht gewinnen, immer größer!