Anhand des unbekannten Sozialdemokraten Georg Kandlbinder führt die Autorin durch die bewegende und turbulente Zeit zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Gerade die Unbekanntheit Kandlbinders lässt
die Geschehnisse während des 1. Weltkrieges, der Revolution und Rätezeit 1918/19, die Jahre der Inflation, die so genannte Machtergreifung der Nationalsozialisten, um nur einige Ereignisse im
Leben Kandlbinders zu nennen, im helleren Licht erscheinen. Biographien über die "Großen" der Geschichte lassen oft das Geschehene in den Hintergrund rücken. Man betrachtet in erster Linie den
Menschen in dieser oder jener Zeit. Der Autorin gelingt es, ein belebendes Bild der damaligen Zeit zu entwerfen. Die Kämpfe der Gewerkschaften um die ersten Tarifverträge, die
Auseinandersetzungen der sozialdemokratischen Partei werden vor Augen geführt, sowie die elende Armut der Arbeiter und der kraftvolle Verdienst Einzelner um diese Not zu lindern.
Wer ist Georg Kandlbinder?
Georg Kandlbinder geboren 1871, war ein Mensch wie jeder andere, jedoch seiner Zeit ein wenig voraus. Als Bauernsohn geboren, wurde er "mit einem Schulzeugnis Note I in allen Fächern aus
der Schule entlassen." Nach Jahren der Lehrzeit und des Arbeitens, kam er mit 25 Jahren nach München, wo er als Brauer bei der Thomas Brauerei angestellt wurde. Sofort engagierte er sich in der
dortigen Gewerkschaft. Sein weiterer Lebensweg war geprägt von sozialem Engagement. Als Mitglied der sozialdemokratischen Partei war er in verschiedenen Ehrenämtern tätig, so zum Beispiel als
Armenpfleger der Stadt München. Durch beharrliches Lernen und das Kaufen des Bürgerrechts, stieg er in der Gesellschaft auf und nutzte dies um seinem sozialpolitischem Schaffen Nachdruck zu
verleihen.
Die Autorin lässt Kandlbinder im Hintergrund wirken. Die Geschichte der Sozialdemokratie steht im Vordergrund, ihre innere Zerrissenheit auf der einen, das Streben nach Demokratie auf der
anderen Seite. So widmet sie sich ausführlich der Revolution und der Rätezeit 1918/1919. Den Kern des Buches trifft Dr. Hans-Jochen Vogel in seinem Grußwort: "Es abstrahiert nämlich nicht davon,
wie einzelne Menschen diese Zeit und diese Ereignisse erlebt haben, sondern schildert gerade dies am Beispiel eines Mannes, der einer unter vielen war, der nicht im engeren Sinne zu den Eliten
gehörte, der sich aber sein eigenes Urteil bildete, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten engagierte und dabei stets das Ziel vor Augen hatte, die Lebensverhältnisse der Arbeiterschaft zu
verbessern."
Knauer-Nothaft, Christl: Georg Kandlbinder (1871-1935). Sozialdemokrat.Revolutionär.Verfolgter; August Dreesbach Verlag, München, 2008, 200 Seiten, 18,90 Euro, ISBN 978-3-940061-20-1,
18,90 Euro