Fuchs analysiert zunächst die Ausgangslage: Deutschland habe im Vergleich zu anderen Industrienationen den höchsten Anteil am produzierenden Gewerbe. Etwa 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden damit erwirtschaftet. Das, so Fuchs, habe dazu beigetragen, dass Deutschland die Finanz- und Wirtschaftskrise gut überstanden habe. Der Autor betont, dass der Technologiestandort Deutschland erhalten und weiterentwickelt werden müsse. Er fordert Wachstum mit ökologischen, energie- und ressourceneffizienten Innovationen.
Drohender Fachkräftemangel
Doch um wegweisende Innovationen zu entwickeln, brauche es gut ausgebildete Facharbeiter, Techniker und Ingenieure. Bis 2020 werden 450.000 Ingenieure der Generation der "Babyboomer" in Rente gehen. Die geburtenschwächere Nachwuchsgeneration könne diese Lücke nicht schließen. Fuchs folgert, dass Deutschland ein Innovationsrückgang drohe, der langfristig den Wohlstand und das kostspielige Sozialsystem gefährde.
Selbst die Anwerbung von ausländischen Ingenieuren könne diese Lücke nicht kompensieren, ist Fuchs überzeugt. Die Gründe: Zum einen wanderten nicht alle Ingenieure aus ihren Herkunftsländern ab, schließlich würden sie auch dort für das Wirtschaftswachstum gebraucht. Zum anderen würden andere Staaten Ingenieure mit geringeren bürokratischen Hemmnissen als Deutschland anwerben, Polen zum Beispiel.
Museumsbesuche und Homeoffice-Plätze
Fuchs schlägt weitreichende und pragmatische Lösungen vor. Darunter sind Vorschläge, das technische Interesse bei Kindern und Jugendlichen zu wecken, zum Beispiel mit Besuchen von Science-Centern oder Technikmuseen mit den Eltern und die Einführung eines ausreichenden technischen Pflichtprogramms in den Allgemeinbildenden Schulen.
Fuchs, der selbst Maschinenbau studiert hat, schlägt vor, das Ingenieursstudium praxis- und teamorientiert zu gestalten. Die Folge wären aus seiner Sicht weniger Studienabbrecher und eine höhere Frauenquote. Fuchs schreibt darüber hinaus über Möglichkeiten, das Beruf- und Privatleben besser zu vereinbaren ("Work-Life-Balance") mit flexibleren Arbeitszeiten und Homeoffice-Plätzen. Diese Vereinbarkeit steigere nicht nur die Attraktivität des Berufs, sondern binde den Mitarbeiter besser an das Unternehmen, so Fuchs.
Lobby-Lektüre
Wer ein ausgewogenes Buch erwartet, irrt. Fuchs ist in diesem Buch ganz Ingenieur und in erster Linie dem VDI verpflichtet. Überspitzt: Es ist eine Lobby-Lektüre. Unterstrichen ist dieser Eindruck durch die vertiefenden Textbeispiele, die vom VDI oder ihm nahestehenden Verbänden geschrieben sind. Der Glaube an den technischen Fortschritt schwingt in jedem Satz mit. Kritische Betrachtungen werden angedeutet, aber nicht vertieft. Fuchs konzentriert sich auf die Vorzüge der in der Öffentlichkeit vieldiskutierten Technologien wie Nano-, Gen- oder Atomtechnologie.
Dennoch zeigt Fuchs sehr deutlich, welche Probleme uns in den nächsten zehn Jahren bevorstehen und welche Auswirkungen sie unmittelbar auf Wirtschaftswachstum, Wohlstand, Sozial- und Steuersysteme haben werden. Das Handeln von Bildung, Wirtschaft und Politik muss jetzt gemeinsam stattfinden, wenn Deutschland seinen Wohlstand erhalten und in technische Innovationen Einfluss nehmen möchte.
Willi Fuchs: "Wachsen ohne Wachstum. Weniger Ressourcen - bessere Technik - mehr Wohlstand", Hanser Verlag, München 2011, 192 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-446-42521-7