"Ein-Euro-Jobs sind Ausnutzerjobs", sagt die 37-jährige Frau R. Sie ist eine von 27 Ein-Euro-Jobern in Esther Schröders Buch. Gelernt hat sie Geflügelfleischerin. In ihrem Beruf arbeitete sie bis zur Wende, bis ihr Betrieb abgewickelt wurde. Nach dem ersten Kind suchte sie sich 1993 selbst einen Lehrgang zur Altenpflege - angestellt wird sie danach nicht. 2005 absolviert sie eine Trainingsmaßnahme. "Das war das blödeste, was ich je gemacht habe", schimpft sie. Die unzähligen Bewerbungen blieben alle ohne Erfolg, vom Arbeitsamt bekam sie über all die Jahre nur ein einziges Arbeitsangebot.
"Was denken die sich dabei?"
Mit der Agenda 2010 kamen die Ein-Euro-Jobs. So wurde Frau R. zwei Mal für jeweils sechs und neun Monate mit einem Stundenlohn von 1,30 Euro angestellt. Für die städtische Arbeitsfördergesellschaft organisierte sie bei Senioren Veranstaltungen, Kaffeekränzchen und Sportkurse. Der Job machte ihr Spaß - sie hoffte auf eine Festanstellung. Fehlanzeige. In ihrem zweiten Job wurde sie als billige Putzkraft ausgenutzt und musste massenhaft Überstunden leisten.
Frau R. ist resigniert und hat heute eine klare Meinung zu Ein-Euro-Jobs: "Er hilft zwar dem Einzelnen für kurze Zeit. Dafür könnte man doch aber auch richtige Jobs schaffen. Die Allgemeinheit lacht über uns. Meist wird nicht das gemacht, was auf dem Bescheid steht. Wenn du nicht mitmachst, wirst du bedroht. Das Wichtigste ist wohl, dass wir raus aus der Statistik sind. Was denken sich die Politiker eigentlich dabei?"
"Vermittelt, verwaltet, vergessen"
Das fragen sich einige der Ein-Euro-Jober in diesem Buch. Wut spricht aus ihren Geschichten - und Resignation. Sie fühlen sich ausgenutzt und hoffnungslos. Esther Schröder zeigt einen Ausschnitt der Lebenswirklichkeit vieler Arbeitsloser. Über Jahre hat sie mit hunderten Betroffenen Gespräche geführt. Die führen ihr Sinn und Unsinn von Ein-Euro-Jobs vor Augen. Das System der Arbeitslosenvermittlung, so Schröder, ist heute immer noch nicht in der Lage, Hilfe zu geben: "Noch immer steckt Deutschland hier in den Kinderschuhen." Die ehemalige PDS-Politiker, die während ihrer Abgeordnetenzeit zur SPD wechselte, sieht die Reformen erst am Anfang: Eine akribische Weiterentwicklung müsse folgen. "Hierzu braucht es die Nähe der Politik zu den Menschen. Hören wir ihnen wieder mehr zu." Mit "Vermittelt, verwaltet, vergessen - Was Ein-Euro-Jobs mit Menschen machen" liefert Schröder ein eindrucksvolles Buch aus dem alltäglichen Leben von Hunderttausenden.
Esther Schröder
"Vermittelt, verwaltet, vergessen"
Was Ein-Euro-Jobs mit Menschen machen
27 Reportagen aus dem Alltag von Betroffenen
192 Seiten
Dietz-Verlag
16,80 Euro
ISBN 978-3-8012-0412-9
war Praktikant beim vorwärts (2011) und ist Mitglied der Bezirksvertretung Köln-Ehrenfeld.