Diese Band ist nicht kaputtzukriegen! Noch im neuen Jahrtausend landeten das Sammelstück "Forty licks" (2002), das Album "A bigger bang" (2005) und das Live-Album "Shine a light" (2008) in den internationalen Hitlisten ganz vorn. Und auch fernab der Musik sorgen Mick Jagger, Keith Richards und Ronnie Wood (weniger der eher ruhige Charlie Watts) nach wie vor für Aufmerksamkeit: Mal fiel einer der Musiker im Urlaub von einer Palme, mal verkroch sich ein anderer betrunken mit einer gerade Volljährigen auf einem Landhaus … Skandale und Rock - keine Musikgruppe verknüpfte diese Elemente der Subkultur so eng wie die Rolling Stones.
Von der Londoner Bluesband zur Popmusik
Dass alles eigentlich ganz anders laufen sollte, berichtet nun Keith Richards in seiner Autobiografie "Life". Denn angefangen hat die musikalische Laufbahn von Mick, Keith & Co als kleine Londoner Bluesband. Damals, um 1962, tourten die Stones noch durch das britische Königreich, interpretierten Chuck Berry und Muddy Waters und wollten den Chicago Blues in England bekannt machen. Doch dann kam der Wandel zur Popband. Halb auf Druck der Manager und Veranstalter, halb aus eigenem Antrieb versuchten sich die Stones am Rock und trafen den Nerv der Zeit - vor allem, nachdem Jagger und Richards zu texten begannen.
Ein Hit folgte dem anderen und für Jahre schienen die Stones unverwundbar. Bis Brian Jones, der zweite Gitarrist der Band, den Erfolg nicht mehr ertrug und 1969 drogentot aufgefunden wurde. Bis im gleichen Jahr ein Konzertbesucher der Stones von einem als Ordner angeheuerten Hell's Angel ermordet wurde. Die Stones und mit ihnen die gesamte Popmusik stürzte in eine Krise ungeahnten Ausmaßes. Doch während die Beatles, die Doors, Simon & Garfunkel und viele andere Idole der Hippie-Kultur untergingen, machten die Stones weiter. Bis heute.
Persönliche Bilanz
Keith Richards bietet allerdings wesentlich mehr als nur einen Rückblick auf die Musik seiner Zeit. Auch wenn das allein schon spannend genug wäre. Immerhin zählten Größen wie John Lennon und Marianne Faithfull zu seinem privaten Umgang. Doch Richards zieht auch eine ganz persönliche Bilanz. Er erzählt von seiner Kindheit im zerbombten, mittelständischen London, von seiner Schulzeit als Schlägeropfer und komplizierten Verwandtschaftsverhältnissen.
Zu dem Rummel um die Stones geht er auf Distanz, relativiert Popularität und Medienhype und zeigt sich immer noch empfindsam, etwa wenn er von seiner heimlichen Romanze mit Ronnie Bennett von den Ronettes ("Be my baby") berichtet. Oder von seinen Vorbehalten gegen die Beziehung von Bandkollege Jones zu Anita Pallenberg, die von Gewaltexzessen und Obsession bestimmt wurde.
Insgesamt bietet Richards einen imposanten und überaus fesselnden Überblick über sein Leben und Schaffen, der dem Leser das Gefühl vermittelt, sich unmittelbar am Puls der Zeit zu bewegen. Zahlreiche Fotos illustrieren Richards öffentliche wie private Seite. Einziger Mangel ist das lückenhafte Register, das nur einen Teil der im Buch erwähnten Musiker und Titel umfasst. - Schieben wir es auf der Brisanz geschuldeten schnellen Zusammenstellung und verzeihen diese Kleinigkeit angesichts der Größe dieser grundehrlichen Autobiografie.
Keith Richards: "Life" Übersetzt von Willi Winkler, Wolfgang Müller und Ulrich Thiele, Heyne Verlag, 736 Seiten, 26,99 Euro, ISBN 978-3-453-16303-4
erhielt 2008 den Literaturpreis des Landes Sachsen-Anhalt, 2011 erschien sein erster Roman, „Folgen einer Landpartie“.