Kultur

"Auf der Suche nach der verlorenen Zeit"

von Anke Schoen · 20. Februar 2012

Wir hetzen von einem Termin zum nächsten. Unser ständiger Begleiter Zeitdruck sitzt uns im Nacken. Die Angst davor, nicht perfekt zu funktionieren gesellt sich dazu. Florian Opitz hat ein Buch darüber geschrieben.

Es ist ein Gefühl, das viele kennen: Die Ohnmacht beim Blick in den prall gefüllten Terminkalender. Der Tag sollte 48 Stunden haben – mindestens! Es gilt in diesem rasanten Leben keine Zeit zu verlieren, trotzdem ist immer zu wenig davon da. Um der verlorenen Zeit auf die Schliche zu kommen, befragt Florian Opitz die Menschen, die sich mit dem Thema Zeit auskennen.

Schneller, bequemer – besser?
Er spricht unter anderem mit einem Wissenschaftler der Seminare zum Thema Zeitmanagement gibt, mit einem Psychiater der ihn über das Burn-Out Syndrom aufklärt und mit einem Journalisten der der digitalen Welt sechs Monate lang den Rücken kehrte. Dabei zeigt Opitz, dass zwar alles schneller, bequemer und vermeintlich besser geworden ist, die Fülle an Möglichkeiten die Menschen allerdings auch zum Verzweifeln bringt.

Die Menschen haben sich der beschleunigten Welt angepasst. „Wir können auch mehr Informationen verarbeiten als die Generationen vor uns. Und es gibt ganz plausible Untersuchungen, die zeigen, dass Kinder heute viel eher in der Lage sind, mehrere Dinge scheinbar gleichzeitig zu tun, als Ältere. Die Grenzen sind also flexibel, elastisch und lassen sich verschieben.“

Entschleunigte Welt
Allerdings zeigt Florian Opitz auch, wie ein Leben in einer entschleunigten Welt aussehen könnte: Er besucht Rudolf Wölzel, der als erfolgreicher Finanzier seine Lebenswelt hinter sich gelassen hat. Heute arbeitet er als freier Schriftsteller, hat eine Wohltätigkeitsorganisation gegründet und betreibt sein eigenes Restaurant. Der Autor macht sich auf den Weg zu einer Bergbauernfamilie, die im Einklang mit der Natur lebt und statt im Hamsterrad des alltäglichen Wahnsinns zu laufen.

Florian Opitz porträtiert zwei Extreme: Erfolgreiche Berufstätige, die kaum noch Zeit zum Durchatmen haben. Und jene, denen persönliche Erfüllung wichtiger ist, als zwei weitere Sprossen der Karriereleiter zu erklimmen. Dabei klammert der Autor eine weitere gesellschaftlich relevante Gruppe aus: Erwerbslose oder Hartz-IV-Empfänger. Menschen, die zu viel statt zu wenig Zeit haben spielen in seiner Analyse keine Rolle.

Ungleiche Verteilung
Zeit wird in dieser Gesellschaft ungerecht verteilt. Während die einen mit einem knappen Zeitbudget ringen, haben die anderen zu viel davon. Während die einen ihr Geld auf ihren Konten horten, leben die anderen am Existenzminimum. Schade, dass der Autor diese Diskrepanz nur ungenügend beleuchtet.

Florian Opitz legt mit seinem Buch „Speed – auf der Suche nach der verlorenen Zeit“keinen Ratgeber für ein besseres Zeitmanagement vor. Allerdings gelte es eine simple Wahrheit zu beachten: Wichtig sei, die Kontrolle über die eigene Zeit zurückzugewinnen und die Dinge zu machen, die einem wichtig sind. Nur durch selbstbestimmtes Tun und Handeln ist der Mensch ganz bei sich selbst.

Florian Opitz: "SPEED - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" Riemann Verlag, München 2011, 285 Seiten, 17,95 Euro, ISBN 978-3-570-50128-3 

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Anke Schoen

ist freie Journalistin.

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