Kultur

Auch Akademikerinnen bekommen Kinder

von Die Redaktion · 8. April 2008
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"Man kann die Verantwortung für die niedrigen Geburtenraten in Deutschland keineswegs den Akademikerinnen zuschreiben", betont Rainer Hufnagel. Gängiges Credo der politischen und gesellschaftlichen Debatte sei, dass speziell die gut ausgebildeten Frauen wegen ihres Berufs, der Karriere und des eigenen Einkommens auf Kinder verzichten. Seine Untersuchungen zeigen jedoch, dass es nicht (mehr) richtig ist, dass in Deutschland wenig gebildete Frauen mehr Kinder bekommen als Akademikerinnen. Vielmehr weist Hufnagel den umgekehrten Zusammenhang nach. "Die Ergebnisse sind von hohem Interesse sowohl für die familienökonomische Theorie als auch für die aktuelle familien-, gender- und demografiepolitische Diskussion in Deutschland", meint der Wissenschaftler.

Höhere Bildung, mehr Kinder

Um sein Erklärungsmodell empirisch zu untermauern, wertete Hufnagel aktuelle Mikrozensus-Daten aus den Jahren 1996 bis 2002 aus. Dabei stellte sich heraus, dass der behauptete negative Zusammenhang zwischen "Humanvermögen" der Frau und der Anzahl ihrer Kinder nur zum Beginn der 90er Jahre bestand. Seit Mitte der 90er Jahre ist die Lage umgekehrt: Je gebildeter die Frau, desto mehr Kinder bringt sie auf die Welt. Zudem gilt seit Beginn der 90er Jahre, dass die Anzahl der geborenen Kinder umso höher ist, je besser der Ehemann ausgebildet ist.

Subventionen für gut ausgebildete sind unnötig

Im Fokus der öffentlichen Debatte zur Familien-, Gender- und Demografiepolitik steht die Frage, ob und inwieweit der Staat eine breite öffentliche Infrastruktur zur außerhäuslichen Betreuung von Kindern aller Altersgruppen aufbauen soll. Hufnagels Ergebnisse leisten einen Beitrag zur Diskussion. Befürworter der Ausbaupläne argumentieren unter anderem, dass außerhäusliche Betreuungseinrichtungen es Frauen ermöglichten, gleichzeitig Kinder zu haben und ihr "hohes Humanvermögen" zu verwerten. Die aktuelle Untersuchung zeigt, dass die jungen, gut ausgebildeten Frauen keineswegs die Gruppe mit besonders niedriger Geburtenrate bilden, ein spezifischer Interventionsbedarf sei also nicht mehr gegeben.

Ein Ausbau subventionierter Betreuungsplätze würde zwar zu höheren Geburtenrate führen, jedoch die Gruppe der gut Ausgebildeten in zweifacher Hinsicht begünstigen: Erstens haben die Besserverdienenden von Subventionen mehr. Es ist umso lohnender sein Kind betreuen zu lassen, je höher die Differenz zwischen dem eigenen Lohnsatz und den Betreuungskosten pro Kind ist. Zweitens wird diese Gruppe mehr profitieren, da sie mehr Kinder hat. Insgesamt ist also der Ausbau öffentlicher Betreuungsplätze mit einer Umverteilung zugunsten der gut ausgebildeten Frauen verbunden.

Steigerung der Geburtenrate

Andere Vorschläge verweisen auf direkte Transfers an Familien mit Kindern. Auch dies würde zu einer Erhöhung der Geburtenrate führen. Ein Ausbau öffentlicher Betreuungseinrichtungen für Kinder hat jedoch demgegenüber den Vorteil, ein Konjunkturprogramm darzustellen. So wirke es kurzfristig über bauliche Investitionen und weiterhin über die Schaffung von qualifizierten und globalisierungsfesten Arbeitsplätzen.

Wenn Frauen ihr Humanvermögen einbringen, verbessere das also die Angebotsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Ein Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung würde sich so nahezu selbst finanzieren: durch erhöhte Steuereinnahmen und Entlastung der Sozialsysteme. Aufgrund des entstandenen höheren Volkseinkommens stiegen auch die durchschnittlichen Einkommen der Männer. Daraus resultiere eine höhere Kinderzahl. Dies würde über die Nachfrageseite erneut zu einem höheren Bruttoinlandsprodukt führen.

Es ist ein unerwünschter Nebeneffekt, wenn Akademikerinnen durch die Nutzung von Kindertagesstätten doppelt bevorzugt werden. Der Schluss, Gelder lieber in direkte Transfers an Familien mit Kindern zu investieren, greift allerdings zu kurz. Sind es doch gerade sozial schwache Familien, die von der Infrastruktur der Kindertagesstätten profitieren. Und was bei alledem auch nicht vergessen werden sollte: Die Kinder sind die Nutznießer. Wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung feststellt, ist der Kita-Besuch für Kinder durchaus sinnvoll. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit später ein Gymnasium zu besuchen von 36 auf 50 Prozent. Von Kindern aus sozial schwachen Familien schaffen es dann sogar zwei drittel mehr aufs Gymnasium.



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