Kultur

Aschenputtels Rache

von ohne Autor · 15. September 2011
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Gestern "Company Men", morgen "Margin Call - Der große Crash" - doch keine Angst: Wer von Standortverlagerungen, purzelnden Börsenkursen und weiteren komplizerten Zusammenhängen nicht allzu viel hören mag, könnte bei diesem französischen Blockbuster genau richtig liegen.

Mehr Poesie statt Soziologie: So heißt das Motto, das Klapisch ("L' auberge espagnole") für diese Produktion ausgegeben hat. Will heißen: Der Regisseur verlässt sich auf viel Atmosphäre und die Entwicklung seiner Hauptcharaktere, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Freilich bedarf es seitens der Zuschauer wenig Empathie, um sich auf die kämpferische Reinigungskraft France und den ultrafiesen Finanzhai Stéphane einzulassen. Doch beide Figuren sind so glatt gebügelt wie Stéphanes Businesshemden.

Weltweite Ausbeutung

Vielleicht hätte etwas mehr "Soziologie" nicht geschadet? Mit der Grundidee für seinen Film liegt Klapisch nämlich absolut richtig: "Rund um den Globus wird mehr und mehr Profit generiert, während immer weniger davon profitieren", sagte der 50-Jährige in einem Interview. Schon ein Blick auf die Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland genügt, um dem Filmemacher wohlwollend auf die Schulter klopfen zu wollen. Gegenüber dem allzu gefälligen Gesamteindruck wird die engagierte Haltung allerdings zur Farce.

Dabei stimmt der Beginn hoffnungsfroh. France, geschieden und Mutter von drei Töchtern, steht vor dem Nichts. Gerade hat sie ihren Job in einer Dünkirchener Fabrik verloren, fast hätte die 42-Jährige auch ihr Leben weggeworfen. Noch im Krankenbett zeigt sie ihren liebenswerten, knorrigen Lebenswillen. "Wir schaffen das!", heißt die Parole. Ein neuer Job muss her.

Böse zum Erfolg

Auch Stéphane steht vor großen Herausforderungen. Für eine Londoner Bank soll er eine Dependance in Paris aufbauen. Mit der Beschreibung seiner wichtigsten Qualifikation gibt ihm der Chef gleichsam eine Parole mit auf den Weg: "Sie sind sehr, sehr böse." Der Enddreißiger ist nicht nur egoman und anmaßend, sondern immer auch dort, wo oben ist. Gleich einem Gipfelstürmer bewegt er sich zwischen Flugzeugen und Hochausetagen.

Was für ein Kontrast zu Frances Perspektive: Ihre Parterre-Wohnung in der Reihenhaussiedlung oder die Container-Schluchten im Hafen verleiten nicht gerade zu Höhenflügen. Überraschenderweise kreuzen sich beide Lebenswege in Stéphanes sterilem Luxusappartement - natürlich mit Blick auf den Eiffelturm.

Nach einer Umschulung zur Raumpflegerin wagt France den Sprung von der proletarischen Kanalküste in die hippe Hauptstadt. Ihr erster Kunde ist...Stéphane! Ab sofort lebt France zwischen zwei Welten: Werktags versucht sie, sich zwischen all den Bildschirmen unsichtbar zu machen, während sie die Wohnung wienert. Die Wochenenden verbringt sie in ihrem wuseligen Heim in der Provinz.

Egomane in der Sinnkrise

Stéphane entführt derweil seine neueste Eroberung nach Venedig. Leider klappt es nicht mit dem Sex als Gegenleistung. Frances lapidarer Kommentar: "Ich wusste gleich, die ist nichts für Sie." Indem sie ihm zeigt, was er in seinem materialistischen Wahn verpasst hat, erarbeitet sie sich Respekt. Als auch noch Stéphanes Patchwork-Sohn eingehütet werden muss, macht sich France als Kindermädchen unentbehrlich.

Es ist wie im Märchen: Die Frau aus der Unterschicht darf mit auf Geschäftsreise nach London. Was die tiefen Blicke zuvor unübersehbar andeuteten, kommt zum Ausbruch: France und Stéphane verbringen die Nacht miteinander. Doch es gibt ein böses Erwachen. France findet heraus, dass Stéphane dafür gesorgt hat, dass ihre Fabrik schließen musste. Während der sich ob dieser Fügung nicht mehr einkriegt, plant die Enttäuschte einen Rachefeldzug.

Kritische Fassade

Klapusch betont den großen Einfluss durch Ken Loach, den Großmeister des britischen Sozialdramas. Doch mit dessen intensiven Milieustudien und gebrochenen Charakteren hat "Mein Stück vom Kuchen" wenig gemein. Zwar entwirft Klapusch gerade zu Beginn ein um Stimmigkeit bemühtes Bild von der Arbeiterwelt Dünkirchens: Burschikose Gestalten haben viel Herz und pflegen in der Bar ihre klaren Feindbilder ("Nur im Kollektiv sind wir stark"). Doch gerade in der unablässigen Konfrontation mit der Lebenswelt von "denen da oben" gerät das Ambiente zu holzschnittartig.

Respekt verdient Hauptdarstellerin Karin Viard: Ihr nimmt man das zwischen Zerbrechlichkeit und Rauhbein-Charme lavierende Küstengewächs zumindest auf einer sinnlichen Ebene ab. Doch so behutsam sie den Wandel zur selbstbewussten Haushaltsmanagerin gestaltet: Ihrer Figur mangelt es an Tiefgang. Selbst ihr ohnmächtiger, naiver Zorn, der sie zum Äußersten treibt, bleibt, bei aller Sympathie, Fassade - wie leider auch der sozialkritische Anspruch dieses Films.

Mein Stück vom Kuchen/ Ma part du gâteau (Frankreich 2011), Regie und Drehbuch: Cédric Klapisch, mit Karin Viard, Gilles Lellouche, Raphaële Codin u.a., Originalsprache: Französisch, Länge: 109 Minuten. www.meinstueckvomkuchen.de Kinostart: 15. September

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