Schon der Europäische Rat von Barcelona hatte im Jahr 2002 seinen Beschluss zum 3-Prozent-Ziel mit der hohen Bedeutung von Forschung und Entwicklung für Wachstum und wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit begründet. Dieser Argumentation folgten die hochrangigen Diskutanten der
FES-Gesprächsrunde "3 % für Forschung und Entwicklung - Zu ehrgeizig für die europäischen Länder?" um den EU-Kommissar für Forschungs- und
Entwicklungspolitik Dr. Janez Potocnik.
Drei Prozent bleibt Vision
Zwei Jahre vor Ende der damals gesetzten Frist habe man nun erkennen müssen, dass die höchst anspruchsvolle Messlatte von Deutschland und einem Großteil der europäischen Staaten
wahrscheinlich verfehlt werde. Dennoch sei das Festhalten an dieser visionären Marke wichtig, um die Erhöhung von Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen weiter voranzutreiben, stimmten ihm
insbesondere die ehemalige Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn (SPD), sowie der ehemalige Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft und Moderator der Debatte, Prof. Dr. Walter
Kröll, zu.
Deutschland fällt ab
In Europa würden derzeit nur Schweden und Finnland die 3-Prozent-Hürde erfolgreich meistern. Weltweit liegen bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung unter anderem Japan und die USA gut
im Rennen, aufstrebende Volkswirtschaften wie China, Indien und Russland holen auf. Deutschland und andere EU-Staaten hingegen riskieren mit einer stagnierenden bzw. nur zögerlichen Entwicklung der
Ausgaben den Verlust ihrer internationalen Wettbe-werbsfähigkeit. Dabei mangelt es vor allem an Investitionen aus der Privatwirtschaft. Zwar seien die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in den
vergangenen Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs insgesamt gestiegen, im Verhältnis zum noch stärker anwachsenden Bruttoinlandsprodukt reiche das aber nicht.
Kluge Köpfe statt Beton
Größer werde das Problem im Falle einer schwachen Konjunktur und einer daraus resultie-renden schlechteren Haushaltslage der öffentlichen Kassen in Deutschland, so die ehemalige Ministerin.
Denn Artikel 115 des Grundgesetzes schreibt vor, dass der Staat nicht mehr Schulden aufnehmen darf, als er investiert. Das Problem: Mit "investieren" sind hier keine Ausgaben für Bildung gemeint,
sondern beispielsweise Gelder für die Infrastruktur. Die Folge: Der deutsche Staat investiere in schlechten Zeiten auch weiterhin lieber in Beton als in kluge Köpfe. "Hier muss das Grundgesetz
geändert werden!", forderte deshalb Bulmahn gemeinsam mit dem Berliner Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner (SPD). Weitere Defizite sehen die beiden vor
allem in der Ausbildung des wis-senschaftlichen Nachwuchses. Damit es sich für die Länder auch lohne, ihre Hochschulen zu fördern, sei in diesem Bereich ein neues Finanzierungssystem notwendig, so
Zöllner.
Visionen braucht das Land!
Letztlich sei das Erreichen des 3-Prozent-Ziels alleine noch keine Erfolgsgarantie für gute Forschung und Entwicklung, gibt EU-Kommissar Potocnik zu, das Geld müsse auch effizient eingesetzt
werden. Als Antrieb und Richtungsweiser für die Politik in Europa sei es jedoch von höchster Bedeutung. Und so hat die ehemalige Bildungsministerin auch schon die nächste ehrgeizige Marke vor
Augen: Vier Prozent soll dann das Ziel lauten!
Von Tobias Quast
Foto: pixelio.de
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.