Als noch vieles möglich schien – Die Geschichte eines Gastarbeiters in Deutschland
"Ohne Beschönigung" blickt Giuseppe Bruno nach eigener Aussage auf seine Kindheit im sizilianischen Butera zurück. Tatsächlich, und das ist bemerkenswert, kommt seine Beschreibung ohne
idealisierende Verklärung des Vergangenen aus. Nicht nur materiell, so erfährt der Leser, auch emotional wächst Bruno in ärmlichsten Verhältnissen auf.
Giuseppe Bruno erlebt eine Kindheit, die alles andere ist als glücklich: Eine, in der er sich ständigen Demütigungen ausgesetzt sieht. Von den Menschen im Dorf wird er wegen seiner
Körpergröße als dumm verspottet, von den Eltern verprügelt. Anerkennung - die gibt es für ihn nur bei seiner Arbeit in der Kommunistischen Partei.
Aber die Zeiten in Sizilien sind nach drei Jahren Dürre katastrophal. Weil Haus und Hof überschuldet sind, die Familie in der Heimat keine Perspektive hat, verkauft er Maultier und Ziege für
eine Fahrkarte nach Deutschland. In Frankfurt am Main, wo auch der tyrannische Vater ist, findet er Arbeit. Es beginnt ein neues Leben.
Es ist die erste Generation italienischer Gastarbeiter in Deutschland, der Giuseppe Bruno angehört. Er arbeitet auf dem Bau, verdient Geld, lernt zwischen Überstunden und Vaters Demütigungen
das Leben kennen. Bruno wird vom Gehänselten in Butera zum Frauenheld in Frankfurt - und braucht doch Jahre, um zu entdecken, wohin er gehört.
Giuseppe Brunos Erzählungen geben Einblick in das Leben der ersten Italiener in Deutschland. Anfang der 60er Jahre, als trotz Knochenarbeit noch vieles möglich schien für junge Ausländer in
diesem fremden Land. Ein Land, in dem Bruno heute zu Hause ist.
Giuseppe Bruno: Der Zug in die Fremde. Ein Leben als Bauernjunge und Gastarbeiter, Edition 6065 Verlag für regionale Kultur und Geschichte Wiesbaden, 217 Seiten, 12,90 Euro. ISBN
3-9808639-8-0
Manuel Preuten
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.