Wie Yasmin Fahimi für die Freilassung des brasilianischen Ex-Präsidenten gekämpft hat
Sie haben eine Solidaritätskampagne für den früheren brasilianischen Präsidenten Lula gestartet. Was war der Auslöser dafür?
Die Beschreibungen von Menschenrechtsvertretern, Gewerkschaftern und Mitgliedern der Arbeiterpartei PT waren schon während meiner Brasilienreise im Februar dramatisch. Die Situation hat sich jetzt noch einmal zugespitzt. Gewerkschafter und Aktivisten werden Opfer von Repressalien und haben Angst um ihre Zukunft.
Stellvertretend dafür ist der Prozess um den Ex-Präsident Lula da Silva, der durch ein politisch motiviertes Gerichtsverfahren an seiner erneuten Präsidentschaftskandidatur gehindert wurde. Lula ist eine Ikone der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung in Brasilien. Er hat das Land reformiert und nach vorne gebracht. Jetzt sitzt er im Knast mit völlig hanebüchenen Vorwürfen und wegen massiver rechtsstaatlicher Verletzungen.
Es hat mich überrascht, dass Lulas Situation hierzulande kaum bekannt ist und es keinen größeren Aufschrei gibt. Das möchte ich gerne ändern.
Welche persönlichen Verbindungen haben Sie zu Lula?
Ich durfte Lula zweimal treffen, einmal noch als Generalsekretärin der SPD in seinem Instituto da Lula in Sao Paulo. Ich habe ihn als sehr authentischen, herzlichen und bodenständigen Menschen erlebt, dem man nur glauben kann, dass es ihm um den Kampf für Arbeitnehmerrechte und die Bekämpfung von Armut in Brasilien geht. Ich habe mich sofort auch emotional mit ihm verbunden gefühlt. Dass dieser Mann jetzt unter erbärmlichsten Bedingungen im Knast sitzt, macht mich unglaublich traurig und betroffen.
Wie stehen Sie zu den Korruptionsvorwürfen, die Lula gegenüber erhoben werden?
Der damalige Richter Sérgio Moro, der heute zufällig auch Justizminister unter Bolsonaro ist, legt in seiner 600-seitigen Urteilsbegründung keine Beweislage dar. Die Anklage und das Urteil basieren letztlich auf einer Kronzeugenaussage, die in Deutschland oder den USA nie allein für eine Verurteilung ausreichen würde. Zudem genügt das Verfahren nicht im geringsten rechtstaatlichen Standards. Die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin hat die Verfahren gegen Lula begleitet und dies auch ausführlich kommentiert.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, Ihrer Forderung nach einer Freilassung Lulas auf politischer Ebene Nachdruck zu verleihen?
Wir müssen öffentlich Druck machen und den Gewerkschafts- und Menschenrechtsbewegungen in Brasilien den Rücken stärken. Dieses Verfahren, das Lula widerfahren ist, muss vor dem UN-Menschenrechtskommissar vorgetragen werden. Es gibt schwere Bedenken, auch was die Konformität mit brasilianischem Recht angeht, die zwingend überprüft werden müssen.
Sie haben gesagt, dass Sie sich breite Solidarität wünschen. Wer sind Ihre Bündnispartner?
Ich habe diese Kampagne mit der brasilianischen Arbeiterpartei PT abgesprochen und initiiert. Unsere Unterstützervideos sollen Lula bei Besuchen im Gefängnis gezeigt werden. In Deutschland spreche ich vor allem unsere eigenen Gewerkschafts- und Parteivertreter an. Ich hoffe, dass die Kampagne darüber hinaus wachsen kann und letztlich parteiübergreifend und europäisch getragen wird.
Die Ausmaße dieses Skandals kamen erst durch die Enthüllungen des Journalisten Glenn Greenwald an die Öffentlichkeit. Wie kann sein Schutz gewährleistet werden?
Indem wir mehr Öffentlichkeit schaffen für das, was in Brasilien passiert. Die Entdemokratisierung, die Diskriminierung weiter Teile der brasilianischen Bevölkerung, der Hass und die Hetze gegen Frauen und nicht zuletzt die Zerstörung des Regenwalds, das gehört alles zusammen. Am Ende leidet das ganze Land darunter.
Darüber hinaus gibt es eine Initiative „Parlamentarier schützen Parlamentarier“. Da geht es auch darum, Menschenrechtsvertreter und Journalisten zu schützen. Ich kann Glenn Greenwald anbieten, dass er diesen Schutz in Anspruch nimmt. Das ist keine Garantie vor Verfolgung, aber ein weiterer Schritt, um Öffentlichkeit herzustellen.
Die Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr hat zu einer massiven Spaltung der brasilianischen Gesellschaft geführt. Was macht Ihnen dennoch Hoffnung?
Es gibt eine sehr engagierte Zivilgesellschaft und insbesondere auch sehr aktive feministische Bewegung in Brasilien. Die wächst gerade jeden Tag. Das macht mir Mut, und das muss man unterstützen. Deswegen finde ich es hervorragend, dass unser Außenminister Heiko Maas das Frauennetzwerk UNIDAS zwischen Deutschland und Lateinamerika gegründet hat. Es muss uns darum gehen, den Austausch zwischen der Zivilgesellschaft zu stärken. Daran will ich gerne mitarbeiten.
node:vw-infobox
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo