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Wie Flüchtlingen wirklich geholfen werden kann

Die Politik scheint überfordert, wenn es um Antworten auf die Frage nach den Ursachen geht, warum Millionen Menschen fliehen. Um die Probleme in den Griff zu kriegen, fordern Hilfsorganisationen von Deutschland und der EU entschlossenes Handeln.
von Paul Starzmann · 17. Februar 2016
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Beim Thema „Fluchtursachen“ läuft etwas gewaltig schief in der derzeitigen Debatte, sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt. Alle diskutierten darüber, wie die Zahlen der nach Deutschland flüchtenden Menschen reduziert werden können – die wenigsten aber interessierten sich wirklich für die Ursachen der Flucht. Der Grund, warum zur Zeit so viele Syrer in Richtung Europa aufbrechen würden, sei die Tatsache, dass sie in ihrem Heimatland und den Lagern in den Nachbarstaaten schlicht wenig Überlebenschancen fänden.

Es fehle an allem: Nahrung, Wasser, medizinische Versorgung – von Sicherheit ganz zu schweigen. Und die Europäische Union schaue zu. „Die EU hat ihre Verantwortung nicht erfüllt“, meint Füllkrug-Weitzel und fordert ein Ende des „Egozentrismus der europäischen Politik“. Es gäbe keine Alternative zur Aufnahme Geflüchteter nach den Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention. Davon im bevorstehenden Wahlkampf abzurücken, werde die Situation nur verschlimmern, meint die Chefin von Brot für die Welt.

Die Stunde der Waffenproduzenten schlägt

Die syrische Stadt Aleppo liegt in Schutt und Asche, sie sieht aus „wie Köln nach dem zweiten Weltkrieg“, erklärt die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Diekmann. Während die Zivilbevölkerung leide, könnten sich die Hersteller von Kriegsgerät über hohe Absätze freuen. „Unerträglich“ sei es, dass auch deutsche Waffen aktuelle Konflikte in aller Welt befeuerten, betont Cornelia Füllkrug-Weitzel.

Einer militärischen Lösung des Bürgerkriegs in Syrien können die Vertreter von Brot für die Welt und Welthungerhilfe nichts abgewinnen. Die Situation in dem Land sei zwar kompliziert und festgefahren, die internationalen Bemühungen um eine politische Beilegung des Konflikts müssten aber weiter gehen. Darüber hinaus könnten weniger Waffenexporte weltweit zur Eindämmung von Krieg und Gewalt führen.

Kinder auf der Flucht: Eine verlorene Generation

Von den rund 60 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, machen die Hälfte Kinder und Jugendliche aus, rechnet Albert Recknagel vom Kinderhilfswerk „terre des hommes“ vor. Es drohe eine verlorene Generation zu entstehen, schwer traumatisiert von den Erlebnissen im Krieg oder auf der Flucht.

Mit dem aktuellen Kompromiss zwischen Union und SPD zum Familiennachzug kann Recknagel nichts anfangen: „Unbegleitete Kinder und Jugendliche haben einen Anspruch auf Familienzusammenführung und nicht nur auf Einzelprüfung“, so der Sprecher des Kinderhilfswerks. Die jungen Menschen benötigten besonderen Schutz und Förderung. Dazu, so Recknagel, bedürfe es Investitionen in Bildung – sowohl in den Nachbarländern Syriens als auch in Deutschland. Recknagel fordert mehr Geld für die Hilfsprogramme der UN – die neun Milliarden Euro, die Anfang Februar von rund 70 Staaten in London zugesagt wurden, seien ein Zeichen der Hoffnung.

Was tun gegen die Not?

Welthungerhilfe, Brot für die Welt und „terre des hommes“ fordern von der Politik eine Reihe an Maßnahmen: Deutschland, die EU und die internationale Gemeinschaft müssten in Krisenregionen Bleibeperspektiven schaffen – zunächst durch humanitäre Soforthilfe und die Herstellung von Sicherheit. Investitionen in Bildung und die lokale Wirtschaft können langfristig vor Ort soziale und politische Perspektiven herstellen, so dass sich weniger Menschen gezwungen sehen, auf der Flucht nach Europa ihr Leben zu riskieren.

 

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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