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Wie deutsche und französische Ökonomen die Eurozone umkrempeln wollen

Mehr Risikoteilung, mehr Finanzdisziplin: 14 Wirtschaftswissenschaftler aus Frankreich und Deutschland fordern eine radikale Reform der Eurozone. Mit ihrer ungewöhnlichen Allianz wollen sie ein Zeichen setzen.
von Fabian Schweyher · 18. Januar 2018
Ifo-Präsident Clemens Fuest und DIW-Präsident Marcel Fratzscher
Ifo-Präsident Clemens Fuest und DIW-Präsident Marcel Fratzscher

Wirtschaftlich geht es für die Europäischen Union aufwärts. Die Konjunktur brummt. Selbst das von der Euro- und Schuldenkrise stark gebeutelte Griechenland könnte bald auf finanzielle Hilfspakete verzichten. Aus der Sicht von 14 Ökonomen aus Frankreich und Deutschland ist der Zeitpunkt ideal, um die Eurozone zu reformieren.

Anfällig für Krisen

In Berlin haben sie deswegen ein Reformpaket für die Währungsunion vorgestellt, mit dem nichts weniger als der „Geburtsfehler der Eurozone“ behoben werden soll. Beispielsweise soll das Maastricht-Defizitkriterium reformiert werden und ein neuer Fonds kriselnde Staaten unterstützen. Ebenso wollen sie die Bankenunion vervollständigen.

„Reformen sind im Euroraum dringend geboten, wenn die Währungsunion ihr Wohlstandsversprechen halten und für zukünftige Krisen gewappnet sein will“, sagt Marcel Fratzscher. Der Präsident des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gehört zu den Autoren des Vorschlags. Sie bemängeln, dass das Banken- und Finanzsystem anfällig für Krise sei. Der Euroraum sei wirtschaftlich und politisch gespalten. Gleichzeitig schöpfe er sein Wachstumspotenzial nicht aus.

Zwei Ansätze vereint

„Frankreich und Deutschland spielen bei der Euro-Reform eine Schlüsselrolle“, sagt der Präsident des ifo Instituts Clemens Fuest, der ebenfalls an dem Reformvorschlag mitgearbeitet hat. Beide Länder sollten Kompromisse eingehen. „Frankreich sollte mehr Marktdisziplin zulassen und Deutschland sollte zu mehr Risikoteilung beitragen.“ Das von den Ökonomen nun vorgestellte Konzept vereint beide Ansätze, für die beide Länder bislang stellvertretend standen. Fuest betont, dass jedoch keine Transferunion vorgesehen sei.

Dass an dem Reformvorschlag 14 deutsche und französische Wirtschaftswissenschaftler mitgearbeitet haben, kommt nicht von ungefähr. Es soll laut DIW-Präsident Fratzscher eine „Brücke zwischen beiden Ländern“ gebaut werden, um eine breitere Öffentlichkeit ansprechen zu können. Gleichzeitig wollen sie ein Zeichen setzen: „Wenn sich die Ökonomen aus beiden Ländern auf ein Konzept einigen können, dann können unsere beiden Regierungen das auch.“

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Die sechs Reformvorschläge im Einzelnen:

  • Bankenunion und Kapitalmarktunion sollen vervollständigt werden, beispielsweise durch einen gemeinsamen Einlagesicherungsmechanismus. Damit soll vermieden werden, dass Banken in Folge einer Wirtschaftskrise zu kollabieren drohen. Mehr Risikoteilung und mehr Diversifizierung in der Eurozone seien notwendig.
  • Die Wirtschaftswissenschaftler wollen das Maastricht-Defizitkriterium reformieren, dem zufolge ein Haushaltsdefizit von drei Prozent nicht überschritten werden darf. Die Fiskalregeln sollen zukünftig an die Wirtschaftsleistung gekoppelt werden. „In guten Zeiten sollen sie mehr Biss haben, in schlechten Zeiten sollen sie flexibler sein.“
  • Für den Fall, dass ein Land zahlungsunfähig ist, soll es eine Umstrukturierung der Schulden geben, an der auch private Gläubiger beteiligt werden.
  • Ein gemeinsamer „Schlechtwetterfonds“ soll strauchelnde Ländern unterstützen. Er funktioniert wie eine Versicherung. Die Euro-Länder zahlen ein. Im Krisenfall erhält ein Staat dann eine Zahlung, die nicht rückvergütet werden muss. Diesen Fonds soll es nur für Länder geben, die sich an die Fiskalregeln halten.
  • Ein neues und besonders sicheres Euro-Anlageprodukt soll als Alternative zu Staatsanleihen entstehen.
  • Zurzeit trifft die Eurogruppe politische Entscheidungen und agiert gleichzeitig als Kontrolleur. Die Wissenschaftler wollen beide Funktionen voneinander trennen, in dem eine unabhängige Aufsicht entsteht.
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