Für den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Joachim Poß ist es nicht mehr als eine "Mogelpackung", das von der schwarz-gelben Regierung am Montag beschlossene "Wachstumsbeschleunigungsgesetz". Geplant sind jährliche Entlastungen von bis zu 8,5 Milliarden Euro für Eltern, Unternehmer, Erben und für die Hotelbranche.
Vor allem besser verdienende Eltern ab einem Jahreseinkommen von rund 63000 Euro werden von der Anhebung des Kinderfreibetrags von bisher 6024 auf 7008 Euro profitieren. Für alle anderen wird das Kindergeld um 20 Euro auf monatlich 184 Euro beim ersten und zweiten Kind erhöht. Profitieren werden auch Erben. Für Geschwister, Nichten und Neffen gilt künftig bei Erbschaften ab 75 000 Euro ein Steuersatz von 15 statt 30 Prozent, sollten die Erbschaften den Betrag von 13 Millionen Euro übersteigen, gilt ein Satz von 35 statt 50 Prozent. Firmenerben können künftig von der Steuer befreit werden, wenn sie die Arbeitsplätze in der geerbten Firma nur noch fünf statt bisher sieben Jahre lang erhalten. Ebenfalls Gewinner des Gesetzes sind Hoteliers. Für Beherbergungsleistungen wird der Mehrwertsteuersatz auf sieben Prozent halbiert.
Gesetz ohne Wachtumswirkung
Finanzexperte Poß rechnet damit, dass von den Maßnahmen kaum eine nennenswerte Wachstumswirkung ausgehen wird. Vielmehr erscheint ihm "die Auswahl der Maßnahmen gerade im Unternehmensteuerbereich weniger auf Wachstumsrelevanz hin getroffen worden zu sein, als vielmehr im Hinblick auf Klientelbedienung", kritiserte er. Gleichzeitig werde das Paket die Spielräume der öffentlichen Haushalte nicht vergrößern, sondern verkleinern .
Der ehemalige Präsident des Berliner Wissenschaftszentrums (WZB), Jürgen Kocka, kritisierte, dass die neue Regierung bisher nicht erklärt habe, wie sie eine Wiederholung der "großen und tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise verhindern wolle". Der Staat habe sich riesig verschuldet, ein zweites Mal könne er das nicht machen, erklärte Kocka am Dienstag im Deutschlandfunk. Die Gefahr einer Wiederholung bestehe, fügte er hinzu, denn die bisherigen Schritte aus der Krise zu lernen, seien zwar da, aber halbherzig. Kocka: "Der Kapitalismus funktioniert zur Zeit nicht."
Gleichzeiitg kritisierte Kocka, dass die neue Regierung auch im Koalitionsvertrag nicht deutlich mache, wie sie die Schulden abbauen wolle. Um glaubwürdig zu sein, müsse die Regierung deutlich machen, "wie wann und woran gespart wird". Ebenfalls unverständlich sei für ihn die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für das Gaststättengewerbe. Er nannte dies Klientelpolitik.
Weil das Gesetz bereits zum 1. Januar 2010 in Kraft treten soll, müssen ihm bis zum 18. Dezember noch der Bundestag und -rat zustimmen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.