Warum ein Abbruch der CETA-Verhandlungen falsch wäre
Die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel hat einmal zustimmend von der marktkonformen Demokratie gesprochen. Viele marktwirtschaftlich denkende Unternehmer, die ich kenne, fanden das falsch. Denn sie wissen genau, dass der Markt klare Regeln braucht um zu funktionieren. Diese Regeln setzt die Politik. In letzter Instanz entscheiden gewählte Parlamente über die Ausgestaltung dieser Regeln und Verfahren.
Die SPD hat bei CETA für Transparenz gesorgt
Es mag kaum überraschen, wenn ich als Präsident des Wirtschaftsforums der SPD betone, wie wichtig das CETA-Abkommen für die deutsche Wirtschaft ist, wie bedeutend für die Stärkung Europas und wie wegweisend für die künftige Entwicklung des globalen Handelsregimes.
Ich sage aktuell den vielen Unternehmer-Persönlichkeiten, die ich treffe, nicht ohne Stolz auf meine Partei: Es war fast im Alleingang die SPD, die dafür gesorgt hat, dass die CETA-Verhandlungen transparent wurden. Es war die SPD mit Sigmar Gabriel an der Spitze, die erzwungen hat, dass es ein „gemischtes Abkommen“ ist, dem die nationalen Parlamente in Europa (und der deutsche Bundesrat) zustimmen müssen. Es war die SPD, die Druck gemacht hat, dass die ILO-Kernarbeitsnormen allgemein akzeptiert und gestärkt werden, dass Daseinsvorsorge und Sozial- wie auch Umweltstandards geschützt werden sollen. Nur so konnte CETA überhaupt zustimmungsfähig werden.
Was noch geklärt werden muss
Damit sollen offene Fragen und Probleme mit der Interpretation unklarer Rechtsbegriffe keineswegs verharmlost werden. Gerade auch die deutsche Wirtschaft benötigt ja Rechtssicherheit. Genau deswegen müssen hier noch Klärungen getroffen werden, sei es durch Absprachen der Vertragsparteien, sei es durch Vertragsänderungen im weiteren parlamentarischen Verfahren. Eine Position des „Alles-oder-nichts“ jedoch ist weder angebracht noch strategisch klug.
Gelegentlich ist es gut, in das Grundsatzprogramm der SPD, das „Hamburger Programm“ aus dem Oktober 2007, zu schauen. Dort findet sich die Begründung für unseren globalen wirtschafts- und demokratiepolitischen Ansatz: „Mit der Globalisierung verschmilzt die Welt immer mehr zu einem einzigen Markt. (...) Die Nationalstaaten, selbst die größten unter ihnen, drohen zu bloßen Standorten zu werden, die um Investitionen des globalen Kapitals konkurrieren. Daher müssen sich Nationalstaaten zusammenschließen und ihren Einfluss gemeinsam stärken. Europa hat diesen Weg eingeschlagen. Ein soziales Europa kann Vorbild auch für andere Teile der Welt werden.“
Warum Kompromisse notwendig sind
Der Weg, einer werteorientierten Wirtschaftspolitik global zu dienen, läuft über Verhandlungen. Wer nicht verhandelt und Kompromisse auf dem Weg zu mehr Fortschritt zu akzeptieren bereit ist, der muss ertragen, dass andere die (sicher schlechteren) Standards setzen. Wer Verhandlungen abbrechen möchte, darf sich danach auf fromme aber wirkungslose Appelle beschränken. Das ist letztlich unpolitisch. Und es ist ökonomisch unklug. Die Sozialdemokratie hat immer aktiv für den Fortschritt gearbeitet, beharrlich, Schritt für Schritt. Kompromisse sind Schritte auf dem Weg. Das ist Demokratiekompetenz, und zugleich ist das Wirtschaftskompetenz.
Mir liegt über CETA hinaus noch etwas am Herzen. Ich zitiere noch einmal das Hamburger Programm: „Wir brauchen mehr Gerechtigkeit im Welthandel. Die Entwicklungsländer wollen keine Almosen – sie wollen gerechte Chancen auf den Märkten. Dazu müssen die Industrieländer im Rahmen der Welthandelsorganisation ihre Märkte öffnen und die Subventionierung ihrer Agrarexporte Schritt für Schritt reduzieren und schließlich beenden.“
Wenn CETA ein Erfolg wird, kann daraus ein Impuls gemacht werden, auch den Entwicklungsländern stärker zu helfen. Dies sollten wir ganz oben auf die Agenda künftiger Verhandlungen nehmen. Angesichts von Krisen, Elend und Fluchtursachen weltweit eine bitter nötige aber auch zukunftsorientierte Haltung.