Warum die Kriegsrhetorik den IS unnötig stärkt
Thomas Imo/photothek.net
In seiner ersten Reaktion auf die Attentate von Paris am 13. November sprach Francois Hollande von einem „Krieg“ zwischen dem IS und Frankreich. Mit der Wahl dieses Wortes erinnerte der französische Präsident fatal an die Rhetorik der Bush-Administration, die nach den Attentaten vom 11. September 2001 einen „Krieg gegen den Terror“ ausrief und mit dieser und allen ihren darauf folgenden Fehlleistungen maßgeblich dazu beitrug, dass der „Islamische Staat“ (IS) heute zu einer solch großen Bedrohung geworden ist.
IS ist kein Staat
Außer dieser Parallele ist die Wahl des Wortes Krieg unglücklich, weil ein Krieg in der Regel zwischen Staaten stattfindet, so dass es den IS unnötigerweise aufwertet. Der IS versucht seit 2006 den Eindruck zu vermitteln, dass es sich bei ihm nicht um eine herkömmliche Terrorgruppe, sondern tatsächlich um einen Staat handele. Seit Sommer 2014 wurde seine entsprechende Propaganda immer überzeugender, weil es ihm gelang, große Teile des Irak und Syriens zu erobern und in weiten Teilen auch zu halten.
Anstatt aber ein funktionierendes Gemeinwesen zu errichten, nahm die Terroristengruppe bis zu sechs Millionen Iraker und Syrer zu Geiseln und sorgte mit dem Einsatz brutaler Gewalt dafür, dass die Lage im IS-Gebiet vorerst ruhig blieb. Der IS wird nun versuchen, Hollandes dictum vom „Krieg“ als Beleg für die eigene Staatlichkeit zu nutzen. Dies ist besonders gravierend, weil seit 2014 Tausende ausländische Kämpfer nach Syrien gezogen sind, gerade weil sie glauben, dass dort ein islamischer Staat entsteht.
Krieg gegen den Terror
Das Wort Krieg wird Hollande aber auch aus einem eher praktischen Gründen verfolgen. Denn wer vom Krieg spricht und wie Frankreich anschließend die Luftangriffe auf den Gegner verstärkt, sollte eine recht genaue Idee haben, wie der bewaffnete Konflikt zu gewinnen sein könnte. Dass die französische Regierung so weit ist, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.
Die US-Luftwaffe fliegt seit August bzw. September 2014 gemeinsam mit verbündeten Staaten Luftangriffe auf den IS. So hat sie den Vormarsch der Jihadisten im Sommer 2014 gestoppt und ihre Organisation geschwächt. Doch hat sich der IS immer besser auf die Gefahr aus der Luft eingestellt, so dass es den Kampfflugzeugen der Koalition immer schwerer fällt, geeignete Ziele zu finden.
Militärisches Vorgehen ohne Alternative
In den Hochburgen der Organisation im Irak und Syrien gibt es dem entsprechend keine Hinweise, dass ihr die Kontrolle engleiten könnte. Nur an den Rändern des IS-Einflussgebietes haben kurdische Einheiten die US-Luftunterstützung nutzen können, den IS zurückzudrängen. Hollande hat sich durch seine Kriegsrhetorik selbst unter Druck gesetzt und muss nun auf dem Schlachtfeld Erfolge vorweisen. Ein Grund hierfür wird gewesen sein, dass er seinen innenpolitischen Konkurrenten auf der Rechten nicht die Chance geben wollte, ein entschlosseneres Vorgehen zu fordern.
Doch dürfte diese Strategie nicht aufgehen, wenn sich eine allzu deutliche Diskrepanz zwischen Wort und Tat zeigen sollte. Will Francois Hollande dies verhindern, muss er bald Erfolge vorweisen, und dies ist vor dem Hintergrund der Situation im Irak und Syrien ein schwieriges Unterfangen.
Doch so fragwürdig Hollandes Wortwahl ist, hat er Recht, wenn er ein militärisches Vorgehen gegen den IS fordert. Solange die Terroristen über Territorium verfügen und dort Rekruten aus aller Welt ausbilden, werden sie eine stetige Bedrohung für die Nachbarländer, die islamische Welt und den Westen bleiben. Anschläge wie die von Paris könnten sich an vielen verschiedenen Orten wiederholen. Deshalb ist es zwingend erforderlich, den IS nicht nur durch Luftangriffe einzudämmen, sondern vollständig zu zerschlagen.
Militäraktion braucht politische Strategie
Dies wird größere Bodenoperationen erfordern, bei denen einheimische arabisch-sunnitische Einheiten das Gros der Truppen stellen und diese von kurdischen Einheiten und amerikanischen und verbündeten Spezialkräften unterstützt werden.
Denn nur einheimische Sunniten würden in den jetzt noch vom IS kontrollierten Gebieten nicht als Besatzungstruppen wahrgenommen. Um die Rekrutierung sunnitischer Araber zu ermöglichen, müssen wahrscheinlich größere Veränderungen im Irak und Syrien stattfinden. Im Irak muss die schiitische Regierung den Sunniten einen Platz im politischen System anbieten und in Syrien muss das Regime in Damaskus den Krieg gegen die eigene Bevölkerung beenden.
Das zu erreichen wird sehr schwierig werden. Doch ist es eine Selbstverständlichkeit, dass eine Militäraktion immer auch von einer politischen Strategie begleitet sein muss. Das macht die militärische Lösung nicht weniger notwendig.
ist Islamwissenschaftler und arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik.