Wahlen in Ecuador: Warum die Gewalt den Rechten in die Hände spielt
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In einem Klima der Gewalt und der Wirtschaftskrise steuert Ecuador auf die nationalen Wahlen am kommenden Sonntag zu.
Präsident Guillermo Lasso, ein konservativer ehemaliger Banker, löste durch den sogenannten “Muerte cruzada” ("Kreuztod") den Kongress auf und rief die mehr als 13 Millionen Ecuadorianer*innen zu den Wahlurnen, um seine Amtszeit vorzeitig zu beenden.
Erst im Februar hatte er ein Referendum mit von ihm angestrebten weitreichenden Verfassungsreformen verloren.
Heftige Proteste der Gewerkschaften
Das Vorziehen der Wahlen erfolgte inmitten heftiger Proteste der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen auf die Austeritätspolitik Lassos und fügte sich ein in den politischen Prozess gegen den Präsidenten, den das Parlament angesichts von Klagen über Korruption, Unterdrückung und Polizeigewalt eingeleitet hatte.
Zu der wachsenden politischen Instabilität und Unsicherheit, die sich in einer hohen Apathie und Desinteresse der Bevölkerung an Demokratie und Wahlen zum Ausdruck kommt, ist in den letzten Wochen der verstärkte Ausbruch krimineller und politisch motivierter Gewalt hinzugekommen.
Politische Morde an der Tagesordnung
Der Mord an dem ehemaligen Kongressabgeordneten und Journalisten Fernando Villavicencio vor einer Woche, der die Drogenkartelle öffentlich denunziert hatte, fügt sich weiteren Morden an: Pedro Briones, Gouverneur der Provinz Esmeralda und Vertrauter von Luisa González, Präsidentschaftskandidatin des Correismo, Augustin Quijano, Bürgermeister von Manta und der Influencerin Nicol Montenegro.
Die Verbrechen haben die Spannung zum Abschluss des Wahlkampfes erhöht und die Zerbrechlichkeit der Rechtsstaatlichkeit und des demokratischen Konsenses in Ecuador im Rahmen eines Prozesses der Zersetzung, der Unzufriedenheit und des Mangels an Antworten der wichtigsten politischen Kräfte auf die dringenden Bedürfnisse eines verarmten Volkes, das bessere Lebensbedingungen und Frieden fordert, offengelegt.
Es droht ein Rechtsruck
Nicht nur in Ecuador nehmen die Drogenkartelle direkten Einfluss auf die Politik und unterminieren die Demokratie. Nutzniesser der Unzufriedenheit und der fehlenden Sicherheit und öffentlichen Ordnung sind die Konservativen. Lateinamerika könnte nach dem Lichtblick der Wahlen in Chile, Kolumbien und Brasilien wieder auf dem Weg in die Dunkelheit zurückkehren.
Die Vorwahlen in Argentinien am letzten Sonntag, die den Rechten und Ultrarechten 49 Prozent der Stimmen gebracht haben, sollte als weiteres Warnsignal verstanden werden. Linke beginnen zu akzeptieren, dass die Bewahrung öffentlicher Sicherheit und resiliente Demokratien zusammengehören.
Maurice Weiss/Ostkreuz
war bis 2023 Koordinator der „Progressiven Allianz“, einem internationalen Netzwerk von 113 sozialdemokratischen, sozialistischen und progressiven Parteien aus der ganzen Welt.