Wahl in der Türkei: „Das hätte Potenzial für eine Katastrophe.“
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Seit mehr als 20 Jahren regiert Recep Tayyip Erdoğan die Türkei – erst als Ministerpräsident, seit 2014 als Präsident. Am 14. Mai könnte diese Zeit zu Ende gehen: In den meisten Umfragen liegt Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu, Vorsitzender der SPD-Schwesterpartei CHP, vorn. „Es gibt eine Wechselstimmung“, sagt Oliver Mayer-Rüth, ARD-Korrespondent in Istanbul, im Gespräch mit dem „vorwärts“. Ob diese Stimmung am Ende ausreicht, dass Kılıçdaroğlu 13. Präsident der Türkei wird, sei aber nicht ausgemacht.
„Erdogan löst sein Versprechen nicht mehr ein.“
„Wir haben immer wieder erlebt, dass Erdoğan es geschafft hat, die Stimmung im Land zu drehen“, gibt Mayer-Rüth zu bedenken. Optimistischer ist Macit Karaahmetoğlu, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg und stellvertretender Vorsitzender der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe. Er sieht eine „große Wahrscheinlichkeit, dass Erdoğan als Präsident abgewählt wird“. Als Grund nennt Karaahmetoğlu die wirtschaftliche Entwicklung in der Türkei. „Erdogan löst das Versprechen für Wohlstand zu sorgen nicht mehr ein.“ Das dürfte ihm nun zum Verhängnis werden.
Sorge macht Mayer-Rüth und Karaahmetoğlu ein Szenario: Da am 14. Mai neben der Präsidentschafts- auch die Parlamentswahl stattfindet, könnte Erdoğan bei einer Wiederwahl künftig eine Parlamentsmehrheit gegen sich haben. „Das halte ich für eine hochgefährliche Situation“, sagt Oliver Mayer-Rüth und sagt einen „Kampf der Institutionen“ voraus: Erdoğan würde dann wohl versuchen, am Parlament vorbei per Dekret zu regieren. „Die Türkei wäre dann absolut gespalten“, ist auch Macit Karaahmetoğlu. „Das hätte Potenzial für eine Katastrophe.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.