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Von Putsch zu Putsch?

von Jérôme Cholet · 7. Januar 2009
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Hauptmann Moussa Dadis Camara und sein "Nationaler Rat für Demokratie und Entwicklung" hatten das Präsidentenamt an sich gerissen und die Kontrolle übernommen. Die alte Regierung wurde abgesetzt, der verfassungsgemäße Nachfolger Contes kam gar nicht erst zum Zug. Dabei mussten nicht einmal Camaras Truppen und Panzer zum Einsatz kommen. Nach vierundzwanzig Stunden wurde der Ausnahmezustand wieder aufgehoben, bis auf vereinzelte Schießereien, die aber keine Todesopfer forderten, blieben gewalttätige Auseinandersetzungen aus. Und wiederum zwei Tage später kapitulierte auch der abgesetzte Premierminister und unterwarf sich den neuen Regenten, ihm folgten dann auch die wichtigsten Parteiführer und Minister.

Nun wird das westafrikanische Guinea von einem Hauptmann geführt, der zuletzt Chef der Armee-Treibstoffversorgungsabteilung war und zwei Jahre lang auch in Deutschland militärisch geschult wurde. Die reibungslose Machtübernahme kann er vor allem seinem Vorgänger Lansana Conte verdanken, der sich vor vierundzwanzig Jahren selber an die Macht geputscht und weder seine Nachfolge geregelt, noch das Land für die Zukunft gerüstet hatte.

Guinea: Armut trotz Reichtum an Bodenschätzen

Eigentlich wäre Guinea ein reicher Staat, es verfügt über die zweitgrößten Bauxitvorkommen der Welt, ein Erz, das für die Aluminiumproduktion eingesetzt wird. Zudem ist es reich an Eisenerz, Gold und Diamanten. Doch noch immer lebt über die Hälfte der neun Millionen Einwohner des mehrheitlich muslimischen Landes in Armut. In der Entwicklungsstatistik der Vereinten Nationen belegt das Land Platz 167 von 179. Contes Amtszeit zeichnete sich vor allem durch Misswirtschaft, Korruption und Nepotismus aus. Der mit vierundsiebzig Jahren verstorbene Präsident regierte zuletzt mit eiserner Hand, trat jedoch nur noch wenig öffentlich auf.

Bevölkerung hofft auf Wandel

So wurde Hauptmann Camara auf den Straßen begeistert empfangen. In der Hauptstadt Conakry feierten die Menschen vor den Häusern, vor allem die Jüngeren jubelten ihm zu. Der neue Staatschef gab endlich wieder Anlass, auf Veränderungen zu hoffen, an einen Wandel zu glauben. Zudem versprach Camara als eine seiner ersten Amtshandlungen die Korruption im Land zu bekämpfen und verkündete, die wichtigsten Rohstoffverträge neu verhandeln zu wollen. Immerhin machen die Mineralien etwa 60 Prozent der Exporte aus, tragen aber nur zu 20 Prozent am Steueraufkommen des Landes bei. Den alten Präsidenten kritisierte er scharf und entließ zweiundzwanzig seiner engsten Mitarbeiter. Comte hatte die meisten Verträge über seinen Schreibtisch laufen lassen und vor allem seine Familie und Freunde mit dem Abbau der Rohstoffe vertraut. Die Bevölkerung blieb außen vor. Die politischen Parteien ebenso wie die guineische Zivilgesellschaft wurden geschwächt, Proteste im Keim erstickt. Bei Unruhen vor zwei Jahren kamen knapp 200 Menschen durch den übermäßigen Gewalteinsatz der Sicherheitskräfte ums Leben.

Kritik an dem Weihnachtsputsch kam vor allem von der internationalen Gemeinschaft. Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika reagierten empört und forderten eine Rückkehr zur Verfassung und schnelle Wahlen. Die Afrikanische Union schloss Guinea aus ihrer Gemeinschaft aus und drohte Sanktionen an. Und auch das Regionalbündnis Economic Community Of West African States (ECOWAS), das in zahlreichen westafrikanischen Staaten für Stabilität sorgte, reagierte ablehnend. "Wir wollen einen Übergang, der von politischen Parteien, von der Zivilgesellschaft, von den Gewerkschaften und nur zu einem geringen Teil vom Militär geleitet wird," so Mohamed Ibn Chambas, Sprecher der ECOWAS.

Wahlen in 2009 vorgesehen

Bei seinem ersten Auftritt vor den wichtigsten Diplomaten der internationalen Gemeinschaft gab sich Camara allerdings gesprächsbereit. Der neue Staatschef musste zwar erst einmal mit den kritischen Stimmen warm werden, allerdings ließ er sich auf einige Forderungen ein. So soll jetzt nicht mehr, wie ursprünglich verkündet, erst Ende 2010 gewählt werden, sondern schon 2009. Die wichtigsten guineischen Parteien gehen davon aus, dass in sechs bis zwölf Monaten Wahlen möglich seien. Camara selbst wolle nach eigenen Angaben nicht antreten. Der französische Staatsminister für Entwicklung und Zusammenarbeit, Alain Joyandet, berichtete von seinem Gespräch mit Camara: "Die Rückkehr zu Demokratie und Verfassung wird noch 2009 geschehen. Dies haben mir die neuen guineischen Autoritäten versichert." Die internationale Hilfe für das Land wird also weitergehen,vor allem die Unabhängige Wahlkommission soll unterstützt werden.

Auf Kritik an seinem Putsch reagierte der neue Präsident mit der Gegenfrage, wo denn die Sorgen der internationalen Gemeinschaft gewesen seien, als vierundzwanzig Jahre Korruption und Misswirtschaft unter seinem Vorgänger Conte beinahe zu einem Bürgerkrieg geführt hätten. Immerhin liegt Guinea in einer äußerst unruhigen Region. Sierra Leone und Liberia haben jahrzehntelange Konflikte hinter sich und sind noch sehr labil, Guinea-Bissau wird von einem Diktator geführt, in Mauretanien fand zuletzt im August ein Putsch statt.

Ethnische Konflikte nicht ausgeschlossen

Zudem ist die Gefahr groß, dass der Streit um die Macht eine ethnische Färbung bekommen könnte. Präsident Conte gehörte der Bevölkerungsminderheit der Soussou an, die nur zehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht, jedoch stets besser gestellt wurde. Die beiden anderen Ethnien, die Peul und die Malinke, könnten jetzt Morgenluft wittern, genug Politiker und Militärs würden sie gern für ihre Zwecke mobilisieren. Ein lokaler Konflikt könnte dann schnell über die Grenzen des Landes die ganze Region destabilisieren.

Erst einmal ist die Stimmung in Guinea jedoch ruhig. Der neue Präsident hat den von der Zivilgesellschaft vorgeschlagenen Banker Kabine Komara zum Premierminister ernannt, zudem regiert er jetzt mit einem Rat aus 32 Mitgliedern, die aus Militär und Zivilgesellschaft stammen. Auch die Gewerkschaften zeigten sich daher besänftigt, gerade sie hatten in der Vergangenheit das Land immer wieder durch Generalstreiks lahm gelegt. Korruptionsfälle aufzuklären, die Verträge zur Ausbeutung der Bodenschätze mehr mit den Interessen der Bevölkerung zu vereinen und die Verfassung zu überarbeiten halten viele Einwohner Guineas für einen guten Anfang. Die internationale Gemeinschaft hat das Vorziehen des Wahltermins begrüßt und sollte sich auch in Handelsfragen um Redlichkeit bemühen. Schließlich gehören die Industrienationen zu den größten Abnehmern guineischer Produkte. Von Menschenrechtsorganisationen gibt es jedoch weiterhin Zweifel. Gadiry Dallo vom Westafrikanischen Netzwerk für Menschenrechte sagte: "Ob die Versprechen jetzt alle eingelöst werden, bleibt abzuwarten. Letztlich verschafft er dem Land lediglich eine Verschnaufpause."

Von den Nachbarländern wurde die neue Regierung wohlwollend aufgenommen. Mali, Sierra Leone und Guinea-Bissau erkannten Camara unmittelbar an. Und der Präsident des einflussreichen Senegal, Abdoulaye Wade, warb sogar um Unterstützung. Wade bat die Europäische Union, die einstige Kolonialmacht Frankreich und die Weltbank um Anerkennung der Putschisten, die ihn gebeten hatten, der internationalen Gemeinschaft zu versichern, dass sie gute Absichten hätten. Ob es Camara bis zu den Wahlen schaffen wird, ist allerdings unklar. Experten gehen davon aus, dass der nächste Putsch schon bald kommen könnte.

Foto: pixelio, tokamuwi

Autor*in
Jérôme Cholet

arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.

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