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TTIP-Verhandlungen: „Die Amerikaner müssen sich bewegen“

Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP nehmen Fahrt auf. Der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments Bernd Lange fordert die USA auf, sich zu den Vorschlägen der EU zu positionieren. Eine Einigung noch in diesem Jahr sieht er skeptisch.
von Kai Doering · 23. Februar 2016

Am Montag hat in Brüssel die 12. Verhandlungsrunde für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP begonnen. Erstmals wird über den europäischen Vorschlag für den Investorenschutz gesprochen. Was sieht der vor?

Das Ziel von uns Europäern ist, dass das alte Instrument von privaten Schiedsstellen, sogenannten ISDS, nicht in ein modernes Abkommen wie TTIP hineinkommt. Deshalb fordern wir, dass ein zusätzliches Instrument der Gerichtsbarkeit rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen muss – wenn es überhaupt notwendig ist. Das bedeutet öffentliche Richter, die von den Staaten bezahlt werden und nicht private Schiedsleute, die eigene wirtschaftliche Interessen haben. Außerdem muss gewährleistet sein, dass das Instrument nur in engem Rahmen angewendet wird, also nur dann, wenn wirklich eine Diskriminierung von ausländischen Investoren gegenüber inländischen vorliegt.

In kaum einem Land ist das Freihandelsabkommen TTIP so umstritten wie in Deutschland. Woher kommt das?

Die TTIP-Gegner kritisieren neben der Intransparenz auch die Absenkung von Standards. Können Sie das nachvollziehen?

Die Kritik ist mir zu pauschal. Und wenn Sie etwa an die Rechte von Arbeitnehmern denken, ist sogar das Gegenteil der Fall. Das Besondere von Abkommen wie TTIP ist ja, dass es nicht wie früher nur um die Abschaffung von Zöllen geht, sondern ein viel breiterer Ansatz verfolgt wird. Die globalen Wertschöpfungsketten müssen so gestaltet sein, dass fundamentale Arbeitnehmerrechte für alle gelten. Sozialdumping darf es nicht geben. Die EU versucht bei allen Handelsabkommen, die sie schließt, Arbeitnehmerrechte zum Schwerpunkt zu machen. Bei TTIP ist das auch der Fall.

Warum braucht es dafür ein Handelsabkommen? Warum regelt man das nicht über die Welthandelsorganisation (WTO)?

Stimmt, eine Regelung über die WTO wäre möglich. Allerdings würde das bedeuten, dass dem alle 164 Mitglieder der WTO zustimmen müssten. Es gibt Länder, im wesentlichen Schwellenländer, die gezielt Umwelt- und Sozialdumping nutzen, um unlautere Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Sie haben überhaupt kein Interesse an Abkommen, die ihnen die Arbeit erschweren. Deshalb bleiben als zweitbeste Lösung nur bilaterale Handelsverträge. Die EU bemüht sich darum seit 2009, Arbeitnehmerrechte in Handelsverträgen zu verankern.

Am Wochenende ist bekannt geworden, dass Gegner des Freihandelsabkommens mit Kanada CETA 40.000 Unterschriften für eine Verfassungsklage gesammelt haben. Was bedeutet eine solche Klage für TTIP?

Erstmal begrüße ich es, wenn Menschen ihre juristischen Rechte und Möglichkeiten nutzen. Allerdings glaube ich nicht, dass die angestrebte Klage gegen CETA Erfolg haben wird, da Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten 131 Abkommen geschlossen hat, die die umstrittenen privaten Schiedsgerichte beinhalten. Für TTIP hätte eine Klage ohnehin keine Konsequenzen. Jedes Abkommen ist ein Unikat und bei jedem Abkommen muss man darauf achten, dass alle Gesetze und Regelungen eingehalten werden.

Die EU-Kommission möchte die Verhandlungen über TTIP in diesem Jahr abschließen. Ist das realistisch?

Ich bin da nicht so optimistisch wie einige Vertreter der Kommission. Es gibt noch so viele strittige Punkte zwischen der EU und den USA, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass diese innerhalb so kurzer Zeit ausgeräumt werden. Die europäische Position ist klar. Wir haben für alle 25 Kapitel Vorschläge gemacht. Jetzt müssen sich die Amerikaner bewegen. Wie im Straßenverkehr gilt aber auch hier: Sicherheit geht vor Schnelligkeit. Wir werden sehen, was mit den USA möglich ist. Klar ist aber: Ein schlechtes Abkommen werden wir nicht akzeptieren.

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Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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