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Die Unabhängige Wahlkommission (IEC) hat Hamid Karzai am vergangenen Montag zum wiedergewählten Präsidenten Afghanistans erklärt. Eigentlich hätte er sich am kommenden Samstag einer Stichwahl mit dem ehemaligen Außenminister Abdullah Abdullah stellen müssen. Weil sein Herausforderer jedoch die Kandidatur zurückzog, ernannte die Wahlkommission Karzai schließlich zum Sieger.

"Die Unabhängige Wahlkommission erklärt Hamid Karzai zum Präsidenten, weil er die erste Runde der Wahlen gewonnen hat und als einziger Kandidat in die zweite Runde gegangen wäre," so Azizullah Ludin, der Vorsitzende der Kommission, "die afghanische Verfassung verlangt keine weiteren Wahlen."

Ohne Gegenkandidat

Abdullah Abdullah hatte sich vergangenen Sonntag der Stichwahl verwehrt, weil er der Unabhängigen Wahlkommission Parteilichkeit vorwirft. Auf seine Reformwünsche war die Regierung nicht eingegangen, so dass Abdullah auch in der zweiten Runde nicht von "freien und fairen Wahlen" ausgehen konnte und seine Kandidatur zurückzog.

Karzais Lager war eigentlich auch ohne einen Herausforderer von einer zweiten Wahlrunde ausgegangen, schließlich akzeptierte der Präsident die Entscheidung der Unabhängigen Wahlkommission jedoch und nahm die zweite Amtszeit an. "Afghanistan hat sich wegen der großen Korruption einen schlechten Namen gemacht," so Karzai, "wir werden also unser besten Versuchen, diesen dunklen Schatten wieder loszuwerden." Zudem versprach Karzai, seine angeschlagene Legitimität zu stärken, indem er sich als Präsident aller Afghanen beweisen wolle.

Illegale Entscheidung bleibt ohne Folgen


Abdullah Abdullah reagierte empört. "Die Kommission überschreitet ihre Kompetenzen," so der ehemalige Außenminister am Mittwoch vor Journalisten, "der Prozess wird mit einer endgültigen, illegalen Entscheidung abgeschlossen." Allerdings schlug er aus, die Entscheidung juristisch anzufechten, "ich überlasse alles Weitere nun dem afghanischen Volk."

Experten waren davon ausgegangen, dass Abdullah seine Kandidatur zurückgezogen hatte, um Präsident Karzai zu einer gemeinsamen Regierung zu bewegen. Bis zuletzt soll es in Kabul Gespräche über ein gemeinsames Kabinett gegeben haben. Die Entscheidung der Wahlkommission, Karzai sofort zum Sieger zu erklären, scheint Abdullah jedoch einen Strich durch die Rechung gemacht zu haben.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-Moon, gratulierte dem alten, neuen Präsidenten am Montag persönlich zu seinem Sieg. "Afghanistan sieht sich großen Herausforderungen ausgesetzt. Der neue Präsident muss also schnell eine neue Regierung bilden, um die Unterstützung des afghanischen Volkes und der internationalen Gemeinschaft zu sichern." Auch der amerikanische Präsident Barack Obama hat bereits mit Karzai telefoniert, forderte ihn allerdings auf, "nicht mit Worten, sondern mit Taten seine Absichten unter Beweis zu stellen."

Insgesamt verliefen die zweiten demokratischen Wahlen seit dem Sturz der Taliban in Afghanistan chaotisch. Nachdem die erste Runde bereits unter dem Schatten schwerer Manipulationsvorwürfe begonnen hatte, erklärte die Unabhängige Wahlkommission erst, Karzai habe bereits die entscheidende Mehrheit von über fünfzig Prozent der Stimmen erhalten, bis sie - auf Druck der Beschwerdekommission - über eine Million Wahlzettel für ungültig erklärte und eine Stichwahl ansetzte. Nach langem Zögern hatte Karzai diese - auf internationalen Druck - schließlich anerkannt, als wenig später sein wichtigster Herausforderer Abdullah Abdullah die Kandidatur zurückzog. Darauf hin wollte der Leiter der Wahlkommission die Wahlen erst ohne Gegenkandidat abhalten, entschied jedoch vierundzwanzig Stunden später bereits, Karzai ohne erneute Abstimmung zum Sieger zu erklären.

Der alte, neue Präsident geht auf jeden Fall geschwächt in seine zweite Amtszeit, die Taliban haben weitere Anschläge angekündigt.

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Autor*in
Jérôme Cholet

arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.

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