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Tim Kaine: Hillary Clintons sichere Wahl

Erst am Freitag hat sich Hillary Clinton entschieden, wer sie im Wahlkampf als Vizepräsidentschaftskandidat der US-Demokraten unterstützen soll. Tim Kaine ist ein erfahrener Politiker und bezeichnet sich selbst als „langweilig“. Trotzdem könnte er für Clinton die entscheidenden Stimmen einwerben.
von · 25. Juli 2016
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Hillary Clinton hat sich entschieden: Tim Kaine geht als demokratischer Vizepräsidentschaftskandidat mit ihr ins Rennen gegen Donald Trump. Die frohe Botschaft verkündete Clinton Freitagabend erst per SMS, dann per Twitter. Der aufmerksame Beobachter wusste aber schon vorher Bescheid – wenn er denn einen Blick auf Kaines Wikipedia-Eintrag geworfen hatte.

Kaine über Kaine: „Ich bin langweilig.“

Kurz bevor der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain 2008 Sarah Palin als Vizepräsidentin nominierte, wurden an einem Tag über 65 Änderungen an ihrer Wikipedia-Seite vorgenommen. Bei Tim Kaine waren es am Freitag über 62 Änderungen und mehr als 90 in der ganzen Woche: Wikipedia als Vizepräsidenten-Orakel.

Viel zu orakeln gibt es über Tim Kaine ansonsten nicht. Er gilt als erfahrener und geschätzter Politiker, schon 2008 war er einer der drei finalen Kandidaten für Barack Obamas Vizepräsidenten. Er selbst sagte in einer Fernsehsendung über sich: „Es stimmt. Ich bin langweilig“. Er ist die sichere Wahl, seine Vorteile liegen auf der Hand: Seit 2013 sitzt Kaine für Virginia im US-Senat. Davor war der 58-Jährige Gouverneur von Virginia – der Bundestaats gilt als sogenannter „Swing State“, also als ein von Demokraten und Republikanern hart umkämpfter Staat bei den Wahlen im November 2016.

Kaine könnte die Latino-Wähler erreichen

Während seines Jura-Studiums in Harvard verbrachte Kaine neun Monate als katholischer Missionar in Honduras. Seitdem spricht er fließend Spanisch – im Senat hielt er eine fast 13-minütige Rede auf Spanisch über die Einwanderungsreform und wurde so zum ersten Senator, der eine politische Rede in einer anderen Sprache als Englisch vortrug. Dieser Hintergrund könnte dabei helfen, die für Hillary Clinton so wichtigen Latino-Wähler zu erreichen.

Das und Kaines Katholizismus. Persönlich lehnt Kaine Abtreibung aus Glaubensgründen ab – politisch allerdings ist er für das Recht auf Abtreibung. Der Staat, findet Kaine, sollte sich in die Entscheidung einer schwangeren Frau nicht einmischen und ihr keine moralischen Vorgaben machen. Eine Haltung, die viele konservative und gläubige Amerikaner teilen. Kaine ist ein Fan von Papst Franziskus und sieht sich selbst in der Tradition der Jesuiten. Über seine Zeit als Missionar in Honduras sagte er: „Das war eine machtvolle Glaubenserfahrung für mich.“

Vielfalt gehört für Kaine dazu

Vielfalt, auch ethnische, gehört für Kaine zum Glauben dazu: In seiner Gemeinde in Richmond bilden Weiße die Minderheit, er selbst soll in einem Gospel-Chor gesungen haben, der hauptsächlich aus Schwarzen bestand. In der Tradition seines Schwiegervaters, des ehemaligen Gouverneurs Linwood Holton, schickten Kaine und seine Frau Anne ihre drei Kinder auf öffentliche Schulen wo Weiße, wie in ihrer Gemeinde, die Minderheit bilden. In Zeiten von extremer Polizeigewalt gegen Schwarze und der Bewegung „Black Lives Matter“ ist das nicht das schlechteste Signal.

Sein Umgang mit dem Amoklauf an der Technischen Universität von Virginia, bei dem 2007 32 Menschen starben, brachte dem damaligen Senator Kaine sowohl von Demokraten als auch von Republikanern viel Lob ein. Kaine richtete sich in einer emotionalen Rede an die Familien der Opfer und half der Gemeinschaft durch den schwierigen Trauerprozess.

Kaine gilt als Freund der Wall Street

Darüber hinaus hat Kaine Ahnung von Außenpolitik und kämpfte im Senat für eine aggressivere Vorgehensweise des US-Militärs gegen den sogenannten „Islamischen Staat“. Probleme könnte Kaine allerdings eine Praxis aus seiner Vergangenheit bereiten: Laut seinen Finanzunterlagen nahm Kaine als Vizegouverneur und Gouverneur von Virginia Kleidung, Reisen und andere Geschenke im Wert von 160.000 US-Dollar entgegen. Diese Praxis ist in Virginia nicht illegal – das Trump-Lager wird es aber wohl trotzdem im Wahlkampf ausschlachten.

Innerparteilich ist Kaine zwar ein Konsens-Kandidat, die Bernie Sanders-Anhänger und linksgerichtete Demokraten dürften mit ihm jedoch nicht besonders glücklich sein. Wie auch Hillary Clinton gilt Tim Kaine als Freund der Wall Street und ist für eine flexiblere Bankenregulation.

Clinton und Kaine: Zwei, die sich verstehen

Kaine mag eine langweilige Wahl sein. Mutiger wäre es gewesen, hätte Clinton die kämpferische Senatorin von Massachusetts, Elizabeth Warren, gewählt oder Arbeitsminister Tom Perez, dessen Familie aus der Dominikanischen Republik stammt. Aber: Kaine ist ein Mann des Ausgleichs, der Mitte, der viele unentschlossene Wähler ansprechen könnte. Und: Er und Clinton verstehen sich offensichtlich und haben viel gemeinsam – etwas, das man von Donald Trump und seinem „running mate“ Mike Pence nicht behaupten kann.

Clinton teilte auf Twitter mit, Kaine sei „ein Mann, der sein Leben dem Kampf für andere gewidmet hat. Er ist ein unerschütterlicher Optimist, der kein Problem für unlösbar hält.“ In den kommenden Monaten dürfte Kaine sich nun ganz auf das Problem Trump konzentrieren.

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