Eigentlich hatte er auf den Balkan gewollt. Als sich der damals 33-jährige Hauptkommissar Dirk Fütterer 2007 für einen Auslandseinsatz bewarb, hätte er nicht im Traum damit gerechnet, nach
Afghanistan geschickt zu werden. Als der Einsatzbefehl dann nicht Sarajevo sondern Kabul lautete, war der Schock groß - nicht nur bei dem jungen Polizisten selbst, sondern vor allem bei seiner
Frau und den beiden Kindern.
Ein Jahr verbrachte Fütterer im Rahmen der deutschen Polizei-Aufbauhilfe am Hindukusch, ein Jahr, in dem Freud und Leid häufig nah beieinander lagen. So musste Fütterer nach einem
Bombenanschlag vor dem Kabuler Busbahnhof, bei dem knapp 30 Menschen starben, den Tatort sichern. Er sah die verbrannten Körper und roch das verkohlte Menschenfleisch. Ein paar Monate später
konnte er dann in die leuchtenden Augen afghanischer Kinder blicken, für die Fütterer und seine Kollegen kurz vor Weihnachten im Militärcamp einen Christkindlmarkt aufgebaut hatten.
Persönliche Sicht auf Afghanistan
Der Polizeihauptkommissar schildert in dem schmalen, knapp 80 Seiten starken Band, seine ganz persönliche Sicht auf Afghanistan. Schon der Titel lässt es erahnen, dass Fütterer die E-Mails,
die er während seines Aufenthalts geschrieben hat, hier gesammelt veröffentlicht. Dadurch erhält das Buch eine ganz eigene Chronologie, da kein Kapitel erahnen lässt, was im nächsten folgen wird.
Es gibt zwar rote Fäden, die sich durch den gesamten Band ziehen - wie Fütterers tägliche Ausbildungsarbeit oder das regelmäßige Fußballspielen in einer afghanischen Zweitligamannschaft - doch
lebt das Buch vor allem von den einzelnen Episoden, die den Beschreibungen eine besondere Authentizität verleihen.
Dirk Fütterer erzählt von der afghanischen Gastfreundschaft, den Gebräuchen und Riten der Afghanen, aber auch von den Spannungen und Problemen des alltäglichen Lebens, die sich immer wieder
im Militärcamp breitmachen. Und trotz aller Faszination für Land und Leute bleiben Fütterers Schilderungen stets analytisch und beschreiben einen realistischen Blick auf die schwierige Situation
in Afghanistan.
Vom Sinn des Einsatzes voll überzeugt
Nicht anders ist dies beim emotionalen Tiefpunkt des Buchs, dem Tod von Fütterers Kollegen Mario Keller und zweier weiterer Polizisten bei einem Anschlag im August 2007 (Mit dem Erlös aus
dem Verkauf des Buchs wird der Bau der "Mario-Keller-Schule" in Afghanistan unterstützt). Doch obwohl dieser Dirk Fütterer sichtlich an die Nieren geht, ändert er nichts an seiner Überzeugung von
der Wichtigkeit des Einsatzes: "Gerade Anschläge dieser Art zeigen, dass es unbedingt notwendig ist, Afghanistan eine stabile, zivile Sicherheit aufzubauen."
Er wolle ihnen vor Augen führen, "dass wir unendlich viel Geduld und Gelassenheit benötigen, um kleine Erfolge verbuchen zu können bzw. uns durch Rückschläge nicht die Begeisterung nehmen
lassen dürfen", schrieb Fütterer im März 2008 in seiner letzten E-Mail aus Kabul. Das ist ihm mit der Veröffentlichung des Buchs sehr gut gelungen.
Dirk Fütterer: Post aus Kabul. Mein Jahr als deutscher Polizist in Afghanistan, Aqua-Verlag 2008, ISBN 978-3939341024, 9,90 Euro