"Dem Kapital Zügel anlegen." Das ist Edgar Mosts Forderung, die sich durch das gesamte Buch zieht. Mit deutlichen Worten fordert der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Kreditbank, dem
Finanzmarkt restriktivere Regeln aufzuerlegen. Dies habe die Politik während der Finanzkrise versäumt. Und die Gefahr, dass die Finanzwirtschaft sich noch weiter von der Realwirtschaft entwickeln
würde, sieht er immer noch: Derzeit, so Most, übersteige das Handelsvolumen der Finanzwirtschaft das 70-fache der jährlichen weltweiten Wirtschaftskraft.
Most schlägt vor, das haftende Eigenkapital der Banken auf 8,5 Prozent zu erhöhen und nur solche Finanzprodukte anzubieten, die der Realwirtschaft dienlich sind. Dazu soll es eine
unabhängige Behörde geben, die über "sinnvolle" Finanzprodukte entscheidet. Das überschüssige Handelsvolumen der Finanzwirtschaft soll so in die Realwirtschaft investiert werden.
Plädoyer für einen Ausschluss Griechenlands aus dem Euro
Mit Blick auf die Euro-Krise schlägt der 71-Jährige den Ausschluss Griechenlands aus dem Euro-Raum vor. Nur so könne Griechenland einen Neuanfang mit eigener Währung starten und
gegebenenfalls seine Währung auf- oder abwerten, um die eigenen Produkte wettbewerbsfähiger auf dem eigenen und europäischen Markt anzubieten.
Auf der einen Seite zeigt sich Most in "Sprengstoff Kapital" als Kenner der Finanzwelt: Mit ungeheuerem Fachwissen erklärt er, was falsch gelaufen ist und erläutert, welche Chancen sich für
die Zukunft bieten. Auch bei der Wiedervereinigung hätte sich Most anders verhalten. Most bietet hier eine nachvollziehbare Analyse im Nachhinein an, die schlüssig ist, allerdings nicht immer
neu. Die von ihm vorgeschlagene Eigenkapitalerhöhung etwa wurde bereits beschlossen.
Leerstellen statt klarer Pläne
Auf der anderen Seite jedoch sind Mosts vorausschauende Analysen zum Teil polemisch und plakativ, seine Vorschläge nicht zu Ende gedacht. So schlägt er etwa eine Weltwährung vor, die von
einer neuen, der UNO unterstellten Weltbank herausgegeben werden soll. Das klingt gut, doch erklärt Most nicht, welche Schritte notwendig sind, um tatsächlich eine stabile Weltwährung zu
kreieren. Most entzieht sich konsequent der Tatsache, dass es weltweit eine immense Schere gibt zwischen reichen und armen Ländern. Gemäß seiner Logik dürften zahlungsunfähige Länder nicht
ausgeschlossen werden, wenn es nur eine einzige Weltwährung gäbe.
Auslassungen wie diese machen die Lektüre des Buchs zu einer unerträglichen Plauderei. Zudem verhehlt Most nicht, dass er sich selbst für einen besonders guten Banker hält. Das mag ja
stimmen, doch hätte er lieber einen großen Teil seiner Gespräche in seine Memoiren verlegen sollen. Stattdessen hätte er im wirtschaftlichen Teil lieber - gemäß Buchtitel - genauer und
ausführlicher erklärt, wie er "dem Kapital zügeln legen" möchte.
Edgar Most, Steffen Uhlmann (Hrsg.): Sprengstoff Kapital. Verschwiegene Wahrheiten zum Aufschwung, Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2011, 14,95 Euro, 256 Seiten, ISBN:
978-3-360-02111-3.
Edgar Most wurde 1940 in Tiefenort in Thüringen geboren. In der DDR schlug er bereits mit 14 Jahren eine Bankkarriere ein, bis er mit 26 Jahren der jüngste Direktor der
Staatsbank der DDR wurde. Mit der politischen Wende wurde Most er zum Vizepräsident der Staatsbank ernannt und gründete 1990 die erste private Bank in der DDR: die Deutsche Kreditbank AG.
Die Bank ging wenig später in der Deutschen Bank auf. Most wurde daraufhin Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Bank in Berlin und kümmerte sich hier um das ostdeutsche Geschäft.
Darüber hinaus war er ein Berater der Bundesregierung für den Aufbau Ost. Most war bis 2004 bei der Deutschen Bank als führendes Mitglied tätig. Bis heute ist er für das Geldinstitut aktiv.